Börsenboom wie vor der Krise - Dow-Jones-Index und DAX starten Höhenflug trotz schlechter Wirtschaftsnachrichten

Von Hermannus Pfeiffer

11.03.2013 / Neues Deutschland vom 09.03.2013

Die globale Wirtschaft lahmt, die Börsen dagegen boomen. Am Freitag erreichte der DAX die 8000er Marke.

An den Börsen herrscht Feierlaune. Trotz hartnäckiger Flaute in Europa, US-amerikanischer Finanzsorgen und Dauerdeflation in Japan erklimmen die Aktienkurse immer luftigere Höhen. Schon am Mittwoch erreichte der US-amerikanische Aktienindex »Dow Jones Industrial«, der die Kursentwicklung der 30 größten US-Konzerne widerspiegelt, mit 14 320 Zählern ein neues Rekordhoch. In Japan überwand der Nikkei-Index in dieser Woche die magische Hürde von 12 000 Punkten. Am Freitag stimmten nun auch hiesige Anleger in die Jubelstimmung ein: Der deutsche Leitindex DAX stieg zum ersten Mal seit fünf Jahren über 8000 Punkte.

Die Börsenbegeisterung will nicht recht zur wirtschaftlichen Lage passen. Erst am Donnerstag hatte der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, bekanntgegeben, dass die EZB ihre ohnehin niedrige Konjunkturprognose für 2013 von minus 0,3 auf minus 0,5 Prozent gesenkt hat. Die US-Wirtschaft wird durch den Streit um höhere Steuern zwischen Demokraten und Republikanern gebremst. Präsident Barack Obama gab den Ministerien nun die Anordnung, bis zum Ende des Fiskaljahres im September 85 Milliarden Dollar weniger auszugeben. Viele Aufträge, die der US-Wirtschaft heute schon direkt oder indirekt flöten gehen. Und das könnte nur der Anfang einer Rezession sein: Über zehn Jahre würden durch die Einschnitte Ausgaben von rund 1,2 Billionen Dollar gestrichen.

Japan dagegen ächzt unter einer eigentlich schon seit über zwei Jahrzehnten anhaltenden Deflation: Da die Preise sinken, wird kaum gekauft (»morgen wird es ja noch billiger«) und Firmen scheuen Investitionen. Dazu kommt der Fukushima-Schock, der die Energiekosten erhöht und Firmen, die auf eine reibungslose Warenkette angewiesen sind, zur Abwanderung in sichere Regionen anstiftet.

Wie passt nun zu alledem der globale Börsenboom? Einige Analysten spüren eine Untergangsstimmung im Anlegervolk, eine »Jetzt-oder-nie-Stimmung angesichts des Untergangs des Abendlandes«. Wovon auch die Börsen in den sogenannten Schwellenländern profitieren: 32 Prozent des globalen Kapitalflusses landen laut einer Studie von McKinsey Research mittlerweile in China und Indonesien, in Brasilien, Südafrika und weiteren Schwellenländern. Im Jahr 2000 waren es erst fünf Prozent. Weniger depressiv gestimmte Investoren in den reichen Ländern verweisen auf konjunkturelle Frühindikatoren, die zuletzt in Europa und Nordamerika »deutlich gestiegen sind«. Und der Japan-Optimismus wird vom kommenden Notenbankchef Haruhiko Kuroda beflügelt. Er will die Geldpolitik weiter lockern.

Andernorts mangelt es nicht an billigem Geld: 2000 Milliarden Euro ließ die EZB seit Beginn der Krise im Sommer 2007 »drucken«, fast ebenso viel die US-Notenbank Fed. Flankiert werden die rasenden Notenpressen von Leitzinsen nahe null Prozent. Beides sind die eigentlichen Treibsätze hinter dem Börsenboom. Privatbanken, Fonds und Investoren pumpen sich Milliarden zum Nulltarif von den Notenbanken und zocken damit in Aktien, Immobilien und Rohstoffen - wie vor der Krise.