Die Chefs raubten ihr Geldhaus aus und betrogen Kunden. Warum soll sich die Justiz damit beschäftigen?
Mittwoch dieser Woche begann vor dem Kölner Landgericht einer der größten Wirtschaftsstrafprozesse der deutschen Nachkriegszeit. Bis Ende dieses Jahres sind 78 Verhandlungstage angesetzt. Angeklagt sind die vier Chefs der Kölner Traditionsbank Bank Sal. Oppenheim und ein Immobilientycoon.
2009 war die größte Privatbank Europas pleite. 2007 hatte sie ihren Sitz noch in die Finanzoase Luxemburg verlegt; das half nichts. Angesichts der engen Verbindungen mit CDU und SPD konnte es sich die Regierung Merkel nicht leisten, das Geldhaus wie andere damalige Pleitebanken zu retten. So gelang es der Deutschen Bank – mit ebenfalls guten Beziehungen zur Merkel-Partei –, Oppenheim günstig zu kaufen und das Kerngeschäft, die Verwaltung einiger tausend Unternehmervermögen, weiterzuführen.
Die Anwälte haben bei der ersten Verhandlung in bewährter Taktik zunächst einmal Verfahrensfehler gerügt: Die 16. Strafkammer des Landgerichts sei das falsche Gericht. Denn nach Geschäftsverteilungsplan sei die 12. Strafkammer zuständig. Die Staatsanwälte hätten die Einreichung der Anklageschrift so manipuliert, daß das Verfahren bei der gewünschten Kammer gelandet sei.
Kommt diese Argumentation durch, ist der Prozeß geplatzt. Er müßte irgendwann neu aufgerollt werden. Das Gericht vertagte sich deshalb bis zum Donnerstag nächster Woche.
Die Anklage ist nur die Spitze eines schmutzigen Eisbergs, der tief ins gepflegte Milieu der deutschen High-Society hinabreicht. Getrennt klagt die »Quelle«-Erbin Madeleine Schickedanz gegen das Geldinstitut auf 1,9 Milliarden Euro Schadenersatz. Sie sei um diese Summe insbesondere von Josef Esch betrogen worden. Den hatte sie zu ihrem persönlichen Vermögensverwalter ernannt. Die vier Bankster hatten zusammen mit Esch u. a. eine Briefkastenfirma gegründet, für die sie sich bei der eigenen Bank Kredite zu Niedrigstzinsen genehmigten. Sie reichten die Kredite zu höheren Zinsen an Schickedanz weiter, damit die sich für insgesamt eine Milliarde Euro Aktien von Karstadt/Quelle (später Arcandor) kaufen konnte. Arcandor ging unter der Regie des Oppenheim-Kompagnons Thomas Middelhoff pleite, lukrativ fürs Führungspersonal, schlecht für die Bank.
So darf das Publikum mit Hilfe der Justiz in ein paar Abgründe der High-Society blicken, wo jeder jede und jeden um Millionen zu betrügen versucht.
Allzu tief werden die Einblicke aber möglicherweise doch nicht gehen. Oberstaatsanwalt Torsten Elschenbroich beklagte, daß für die Ermittlungsgruppe »Byzanz« nur ein Staatsanwalt, eine Wirtschaftsreferentin und zweieinhalb Polizeibeamte bereitgestellt wurden. Die werden es gegen das Dutzend Staranwälte der Angeklagten auch weiter schwer haben.
Die Bankster und ihr Beihelfer Esch haben noch weitere Schäden angerichtet, die nicht zur Anklage stehen: Etwa bei Privatisierungen in Kommunen und Staat, bei der heuschreckenartigen Verwertung von aufgekauften Mittelstandsfirmen. Plünderung öffentlicher Kassen? Arbeitslosigkeit? Da klagt niemand.
Das Volumen der Finazhilfen des Finanzmarktstabilisierungsfonds (SoFFin)