Bankster vor Gericht - Oppenheim-Prozeß in Köln eröffnet

Von Werner Rügemer

04.03.2013 / Junge Welt, 02.03.2013

Die Chefs raubten ihr Geldhaus aus und betrogen Kunden. Warum soll sich die Justiz damit beschäftigen?

Mittwoch dieser Woche begann vor dem Kölner Landgericht einer der größten Wirtschaftsstrafprozesse der deutschen Nachkriegszeit. Bis Ende dieses Jahres sind 78 Verhandlungstage angesetzt. Angeklagt sind die vier Chefs der Kölner Traditionsbank Bank Sal. Oppenheim und ein Immobilientycoon.

2009 war die größte Privatbank Europas pleite. 2007 hatte sie ihren Sitz noch in die Finanzoase Luxemburg verlegt; das half nichts. Angesichts der engen Verbindungen mit CDU und SPD konnte es sich die Regierung Merkel nicht leisten, das Geldhaus wie andere damalige Pleitebanken zu retten. So gelang es der Deutschen Bank – mit ebenfalls guten Beziehungen zur Merkel-Partei –, Oppenheim günstig zu kaufen und das Kerngeschäft, die Verwaltung einiger tausend Unternehmervermögen, weiterzuführen.

»Das falsche Gericht«

Die Angeklagten wurden aus der Bank gejagt und nagen nicht am Hungertuch. Sie haben die Crème der deutschen Strafverteidiger engagiert. Die kümmern sich für gutes Geld um die gefährdeten Rechte deutscher Multimillionäre: Professor Klaus Volk, der neben seiner Professur an der Universität München genug Zeit findet, um zum Beispiel Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann und Steuerhinterzieher wie Boris Becker zu verteidigen; Eberhard Kempf, der vom Funktionär des Kommunistischen Bundes Westdeutschlands (KBW) zum Staranwalt der Reichen avancierte (Ackermann, Immobilienbetrüger Jürgen Schneider, FDP-Chef Jürgen Möllemann) und Heiko Lesch aus der Bonner Kanzlei Redeker. Der verteidigte kürzlich Bundeskanzlerin Angela Merkel wegen ihrer Geheimnisse um Ackermanns privat-staatliches Geburtstagsdinner im Kanzleramt.

Die Anwälte haben bei der ersten Verhandlung in bewährter Taktik zunächst einmal Verfahrensfehler gerügt: Die 16. Strafkammer des Landgerichts sei das falsche Gericht. Denn nach Geschäftsverteilungsplan sei die 12. Strafkammer zuständig. Die Staatsanwälte hätten die Einreichung der Anklageschrift so manipuliert, daß das Verfahren bei der gewünschten Kammer gelandet sei.

Kommt diese Argumentation durch, ist der Prozeß geplatzt. Er müßte irgendwann neu aufgerollt werden. Das Gericht vertagte sich deshalb bis zum Donnerstag nächster Woche.

Die Anklage ist nur die Spitze eines schmutzigen Eisbergs, der tief ins gepflegte Milieu der deutschen High-Society hinabreicht. Getrennt klagt die »Quelle«-Erbin Madeleine Schickedanz gegen das Geldinstitut auf 1,9 Milliarden Euro Schadenersatz. Sie sei um diese Summe insbesondere von Josef Esch betrogen worden. Den hatte sie zu ihrem persönlichen Vermögensverwalter ernannt. Die vier Bankster hatten zusammen mit Esch u. a. eine Briefkastenfirma gegründet, für die sie sich bei der eigenen Bank Kredite zu Niedrigstzinsen genehmigten. Sie reichten die Kredite zu höheren Zinsen an Schickedanz weiter, damit die sich für insgesamt eine Milliarde Euro Aktien von Karstadt/Quelle (später Arcandor) kaufen konnte. Arcandor ging unter der Regie des Oppenheim-Kompagnons Thomas Middelhoff pleite, lukrativ fürs Führungspersonal, schlecht für die Bank.

15 weitere Kollegen

Daneben klagen weitere 15 Multimillionäre auf Schadenersatz. Sie hatten Millionenbeträge in Immobilienprojekten von Esch-Oppenheim angelegt, so der Zeitungsverleger Alfred Neven DuMont (Kölner Stadt-Anzeiger, Berliner Zeitung, Mitteldeutsche Zeitung, Haaretz) mit weiteren Mitgliedern der Dynastie, der Clan der Schuhhandelskette Deichmann und der Bankiers­erbe Wilhelm von Finck jun. Sie fühlen sich betrogen, weil aus den sechs Dutzend Immobilienprojekten wie der Köln-Arena/Kölner Rathaus, Kölner Messehallen, Karstadt-Kaufhäusern, Medienzentren u. ä. nicht die versprochenen Renditen fließen.

So darf das Publikum mit Hilfe der Justiz in ein paar Abgründe der High-Society blicken, wo jeder jede und jeden um Millionen zu betrügen versucht.

Allzu tief werden die Einblicke aber möglicherweise doch nicht gehen. Oberstaatsanwalt Torsten Elschenbroich beklagte, daß für die Ermittlungsgruppe »Byzanz« nur ein Staatsanwalt, eine Wirtschaftsreferentin und zweieinhalb Polizeibeamte bereitgestellt wurden. Die werden es gegen das Dutzend Staranwälte der Angeklagten auch weiter schwer haben.

Die Bankster und ihr Beihelfer Esch haben noch weitere Schäden angerichtet, die nicht zur Anklage stehen: Etwa bei Privatisierungen in Kommunen und Staat, bei der heuschreckenartigen Verwertung von aufgekauften Mittelstandsfirmen. Plünderung öffentlicher Kassen? Arbeitslosigkeit? Da klagt niemand.