Der welke Glanz sozialistischer Hoffnungen - Politischer Jahresauftakt in Frankreich

Von Bernhard Sander

07.01.2013

Nein, der Schauspieler Depardieu wird nicht nach Frankreich zurückkehren, auch wenn der Verfassungsrat das Gesetz über die Millionärssteuer wegen Formfehlern kassiert hat. Der Herr Obelix-Darsteller macht mit einer zweiten Staatsbürgerschaft und einem Essen beim Musterdemokraten das Steuerparadies des Herrn Putin populär.

Die Debatte um die Steuerflucht hat sich, angefacht durch den Chef der staatlichen Cinemathek, zu einer über die Spitzengagen im Film ausgeweitet. Das französische Filmwesen, als Teil des kulturellen Erbes und als Bollwerk gegen die Überflutung durch den Amerikanismus politisch quer durch alle Parteien hoch geschätzt, lebt von immensen öffentlichen Filmförderungsmitteln (selbst der Kassenschlager »Asterix« mit Depardieu kam ohne öffentliche Anschubfinanzierung nicht aus).

Diese Debatte über Entlohnungsstrukturen, die weit über amerikanischen »marktkonformen« Gehältern liegen, akzentuiert noch einmal den sozialen Gegensatz. Die Gagenhöhe lässt alle, die um jeden Euro staatlicher Sozialhilfe kämpfen müssen, nur mit dem Kopf schütteln. Die radikale Rechte hat in dem Le Monde-Artikel einen Kronzeugen gefunden und es wird ihr ein Leichtes sein, die Spitzengagen parasitärer linker Kostgängern und dekadenter BoBos (Bohemian Bourgeois) als Verletzung der Leistungsgerechtigkeit zu denunzieren.

Der Staatspräsident François Hollande wird – wie weiland 2006 Franz Müntefering in der großen Koalition in Deutschland – mit der Gemeinheit konfrontiert, dass die Wahlversprechen reihenweise gebrochen wurden. Ein Video der Front de Gauche mit den entsprechenden wörtlichen Zitaten Hollandes ist Gegenstand öffentlicher Polemik. Die angeblich unantastbare Kulturförderung ist um 4,3% gekürzt, der Fiskalpakt 1 zu 1 unterzeichnet worden – wie von Sarkozy ausgehandelt. Und die soziale Errungenschaft Gesundheitsversorgung werde durch Praxisgebühren und Erstattungs-Kürzungen ausgehöhlt, das seit 30 Jahren versprochen Ausländerwahlrecht kommt eben so wenig wie eine echte Verhältniswahl, die Mehrwertsteuererhöhung und die Vernichtung von täglich 1.500 Arbeitsplätzen stehen im Gegensatz zu Hollandes Wahlkampfphrasen.

Hollande klammert sich in seinen Neujahrswünschen mittlerweile nur noch an die Hoffnung, dass es gelingen möge, die Kurve der Arbeitslosigkeit wieder nach unten zu biegen. Seit 19 Monaten steigt die Zahl der Arbeitslosen. Eine Strategie, die aus der Rezession herausführt, ist nicht erkennbar.

Jede Bankenrettungsaktion verkleinert die finanziellen Spielräume für Wachstumsstimulation. Die französisch-belgische Dexia wird in die »größte Bad Bank der EU« (Kommissionsmitglied Almunia) überführt. Rund 300 Mrd. Euro Vermögenswerte sind hier geparkt, deren realer Wert niemand kennt. Nachdem bereits 2008 rd. 6,4 Mrd. Euro echte staatliche Finanzhilfen geleistet wurden, hat nun die Kommission eine weitere Kapitalerhöhung von 5,5 Mrd. Euro sowie Staatsgarantien in Höhe von 85 Mrd. Euro genehmigt. Der belgische Teil war bereits 2011 mit 4 Mrd. Euro aus der belgischen Steuerkasse verstaatlicht worden.

Der erst 1996 gegründete multinationale Finanzkonzern war 2011 schon wieder aufgespalten worden und der französische Teil, der auf Kredite für Kommunen und Regionalverwaltungen spezialisiert ist, wird nun mit der staatlichen französischen Postbank fusioniert. Die Bank war in Schieflage geraten, da sie sich nicht auf Privatkunden-Einlagen und das klassische Bankgeschäft stützen konnte sondern sich über windige amerikanische und griechische Immobilienkredite finanzierte. Die Staatshilfen wurden auch im belgischen und französischen Fall mit dem Argument begründet, dass andernfalls systemische Verwerfungen auf den internationalen Finanzmärkten drohen. Dexia macht einmal mehr deutlich, dass sich die Finanzmarktkrise eher auf strukturelle Probleme als auf das Handeln einer »kriminellen Vereinigung« zurückführen lässt.

Die EU-Kommission will mit der jetzt erfolgten Genehmigung einer geordneten Abwicklung ein weiteres Mal »Wettbewerbsverzerrungen« durch Auflagen (Begrenzung der Aktivitäten auf das klassische Bankgeschäft) verringern, um ein »gescheitertes Geschäftsmodell nicht künstlich am Leben zu halten« (FAZ vom 29.12.2012) Aber weder der EU-Ministerrat noch die nationalen Regierungen sind bisher bereit, diese vom praktischen Leben diktierten ultimativen Lösungen in eine allgemeine Regulierung zu überführen.

Alle paar Jahre einmal gönnt sich Frankreich einen rührenden Film über die Aufhebung der Klassengegensätze im Kleinen: »Zusammen ist man weniger allein«, »Ziemlich beste Freunde« – alles mit Steuergeld gefördert. Und der Herr Depardieu gab vor zwei Jahren den »Rasputin« in einer französisch-russischen Koproduktion. Ob der Esoteriker der letzten Zaren damit zum Omen wird, bleibt abzuwarten.