Ohne Eile zur Wirtschafts- und Währungsunion - Rückblick auf den Dezember-Gipfel (I)

Von Michael Kaczmarek

15.12.2012 / euractiv.de, 14.12.2012

Der Druck der Finanzmärkte auf die Euro-Länder hat nachgelassen. Der Wille der EU-Chefs, eine "echte" Wirtschafts- und Währungsunion aufzubauen, ebenso. Der Europäische Rat hat die Festlegung eines Zeitplans für weitere Integrationsschritte auf Juni 2013 verschoben.

Die Staats- und Regierungschefs der EU feierten beim Europäischen Rat am 13. und 14. Dezember vor allem den Durchbruch bei der nun entstehenden Bankenunion. Die Finanzminister hatten sich wenige Stunden zuvor auf die Eckpfeiler eines einheitlichen Aufsichtsmechanismus (EZB-Bankenaufsicht, SSM) geeinigt. Die direkte Bankenhilfe aus dem Euro-Rettungsfonds ESM ist somit bereits ab 2013 möglich.

Neue Elemente der Bankenunion


Aufbauend auf dieser Einigung legten die EU-Chefs fest, dass die neuen Eigenmittelanforderungen an die Banken (CRR/CRD) zügig verabschiedet werden sollten. Das gleiche gilt für die Richtlinie für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und die überarbeitete Richtlinie über Einlagensicherungssysteme. Der Rat soll sich bei beiden Texten bis spätestens Ende März auf eine Position festlegen und bis Ende Mai 2013 eine Einigung mit dem Parlament erzielen. Im Laufe des Jahres 2013 soll die Kommission zudem einen Vorschlag für einen einheitlichen Mechanismus zur Abwicklung von Banken vorlegen, die der neuen EZB-Bankenaufsicht unterstehen. Dieser Vorschlag soll noch vor Ende der Legislaturperiode 2014 verabschiedet werden.

Vesucht und vertagt


Bei den politisch und finanziell sensiblen Aspekten der derzeit entstehenden Euro-Union konnten sich die EU-Chefs nicht auf einen gemeinsamen "Fahrplan für eine echte Wirtschafts- und Währungsunion" (Van Rompuy-Plan) einigen. Bundeskanzlerin Angela Merkel, die im Wahlkampf zur Bundestagswahl 2013 steht, wollte vor allem die Einführung verbindlicher Reformverträge zwischen der EU-Kommission und den einzelnen Euro-Mitgliedsländern durchsetzen. Frankreich, unterstützt von Spanien und Italien, wollen diesen weitreichenden Eingriff in nationale Kompetenzen nur zulassen, wenn er zeitgleich durch ein "Element der Solidarität" kompensiert wird.

Neuer Versuch


Die Bundesregierung wiederum war noch nicht bereit, einem Zeitplan zur Einführung eines Euro-Sonderbudgets (Fiskalkapazität) oder gemeinsamer Staatsanleihen (Euro-Bonds) zuzustimmen. Entsprechend wurde Ratspräsident Herman Van Rompuy beauftragt, seinen Fahrplan nochmals zu überarbeiten. Der neue Fahrplan wird beim Europäischen Rat im Juni 2013 präsentiert. Van Rompuy soll in Absprache mit Kommissionspräsident José Manuel Barroso und den Mitgliedsstaaten nun Vorschläge zu folgenden Elementen vorlegen:

a) die Koordinierung nationaler Reformen auf EU-Ebene;
b) die soziale Dimension der Wirtschafts- und Währungsunion, einschließlich des sozialen Dialogs;
c) die Prüfung von Umsetzbarkeit und Modalitäten gemeinsam vereinbarter Verträge für Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum;
d) ein Solidaritätsmechanismus, der die Bemühungen der Mitgliedsstaaten, die solche vertraglichen Vereinbarungen eingehen, fördern soll.

Reaktionen


Joseph Daul
, Vorsitzender der EVP-Fraktion: "Ich freue mich, dass der Europäische Rat zur EU-Bankenaufsicht eine Einigung gefunden, die Grundlagen für eine Bankenunion gelegt und die Kommission zur Vorlage eines Vorschlags zur Bankenabwicklung aufgefordert hat. Mit diesem Rahmen kann man gut arbeiten. Dieser schrittweise Ansatz funktioniert jedoch nur, wenn er von konkreten Maßnahmen unterfüttert wird. Besonders in Krisenzeiten können wir es uns nicht leisten, diesen Prozess durch das Hinauszögern von Entscheidungen zu verzögern."

Hannes Swoboda, Fraktionschef der Sozialisten im Europäischen Parlament (S&D): "Ich bin erfreut, dass der Rat endlich auf die Forderungen der S&D-Fraktion eingegangen ist und nun auch auf die soziale Dimension der Wirtschafts- und Währungsunion blickt - vor allem auf den sozialen Dialog. Es waren mal wieder sozialistische und sozialdemokratische Staats- und Regierungschefs wie die Frankreichs und Österreichs die diese Ergänzung einforderten. Ich begrüße im Besonderen, dass der merkwürdige Prozess vertraglicher Vereinbarungen zwischen den Mitgliedsstaaten und der Kommission aufgeweicht und dass die Notwendigkeit einer gegenseitigen Vereinbarung hervorgehoben wurde. Die Monate bis zum Juni 2013 müssen nun für den Start eines Dialogs genutzt werden, um ein visionär und sozialer geprägtes Konzept für Europa zu finden."

Rebecca Harms
und Daniel Cohn-Bendit, Fraktionsvorsitzende der Grünen/EFA im Europäischen Parlament: "Angesichts der negativen Wirtschaftsdaten erscheint es uns verantwortungslos, dass dieser Gipfel erneut keine gemeinsamen Ziele und Mittel zur Bekämpfung von Rezession und Arbeitslosigkeit beschlossen hat. Und für die dauerhafte Stabilisierung des Euro führt kein Weg vorbei an einem Altschuldentilgungsfond, Eurobonds und auch einem Europäischen Finanzminister. Leider hat der Mut der Staats- und Regierungschefs für die großen Herausforderungen wieder nicht gereicht. Der große Plan zum Umbau der Wirtschafts- und Währungsunion wurde erstmal wieder auf Eis gelegt. Selbst vom abgespeckten Vorschlag Van Rompuys ist fast nichts mehr übrig."

Guy Verhofstadt
, Fraktionschef der Liberalen im Europäischen Parlament (Alde): Das Problem der exzessiv hohen Zinsen für eine Reihe von Mitgliedsstaaten ist ungelöst geblieben. Spanien und Italien zum Beispiel werden ihre wirtschaftlichen Probleme niemals lösen können, wenn all ihre Anstrengungen, öffentliche Ausgaben zu kürzen, durch Zahlungen von 5 bis 6 Prozent Zinsen für Staatsanleihen unterlaufen werden."