Derivate sind nicht zum Zocken da

Rede Axel Troosts zur 2./3. Lesung des EMIR-Ausführungsgesetz.

13.12.2012 / linksfraktion.de, 13.12.2012
Redebeitrag von Dr. Axel Troost (DIE LINKE.) am 13.12.2012 um 15:42 Uhr (214. Sitzung, TOP 7)

Herr Präsident!

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Vor ein paar Jahren herrschte an den Finanzplätzen der Wallstreet, in London und in Frankfurt ein frivoler Überschwang. Die Finanzwirtschaft feierte die große Party. Es gab damals schon einige Spaßbremsen, die sich beschwerten; aber das Ordnungsamt konnte nichts machen, weil die Gesetze fehlten. Am Ende gab es den großen Knall, weil der Schnaps gepanscht war und obendrein niemand die Rechnung begleichen wollte.

(Norbert Schindler (CDU/CSU): War der Alkohol schuld?)

Dann war die Party zu Ende. Der Staat und die Steuerzahlerinnern und -zahler durften das Aufräumen übernehmen. Die Finanzwirtschaft hat die Musik etwas leiser gestellt, aber vom Umfang her geht die Party genauso weiter wie bisher.

(Norbert Schindler (CDU/CSU): Mit der Blaskapelle!)

Heute geht es um Derivate.

(Jens Ackermann (FDP): Ich dachte, um Destillate!)

Mit Derivaten kann man mit wenig Einsatz große Volumen bewegen. Sie versprechen hohe Renditen bei hohem Verlustrisiko. Fehlspekulationen enden leicht im Ruin. Mit Derivaten das ist heute mehrfach gesagt worden lassen sich Risiken absichern. Hauptsächlich dienen sie aber heute als Finanzwetten. Mit komplexen Derivaten wurden Risiken verschleiert; Derivate wurden gutgläubigen und geldgierigen Käufern angedreht. In der Finanzkrise spielten Derivate eine große Rolle.

Es ist heute schon gesagt worden das ist wirklich ein zentraler Punkt : Wir haben inzwischen ein weltweites Derivatevolumen in einer Größenordnung von 600 bis 650 Billionen Euro; das ist das Neun- oder Zehnfache des Weltsozialprodukts. Da kann in einer sachlichen Debatte niemand sagen, das diene der Absicherung der Realwirtschaft, also dazu, realwirtschaftliche Geschäfte abzusichern. Vielmehr sind Derivate heute ein ganz zentrales Element, das riesige Spekulationen ermöglicht. Das muss aus unserer Sicht beendet werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Worüber reden wir heute konkret? 2013 tritt in der EU die Verordnung EMIR in Kraft. Nun muss in Deutschland mit einem entsprechenden Ausführungsgesetz eine Anpassung vorgenommen werden. Daran war der Bundestag bisher nicht beteiligt. Insofern reden wir über eine Umsetzungsverordnung. Die BaFin wird zur zuständigen Aufsichtsbehörde, Sanktionen werden festgezurrt, und viele Details werden vernünftig geregelt.
EMIR bringt sicherlich neue Transparenzvorschriften. Künftig müssen standardisierte Derivate über sogenannte Clearing-Häuser, also feste Einrichtungen, abgewickelt werden. Das ist vom angelsächsischen Finanzmarkt abgeschaut. Aber das ist schon angesprochen worden das birgt einige Risiken, weil diese Clearing-Häuser jetzt systemrelevant werden. Wenn die Sicherungsleinen reißen, dann werden wieder die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler dafür geradestehen müssen.

Gegenüber dem heutigen Wildwest-Regime ist EMIR eindeutig eine Verbesserung, darüber sind wir uns einig. Ich möchte noch einmal auf das Volumen zurückkommen. Wir haben mehrfach gehört, wie toll Derivate sind für den Mittelstand, für die Riester-Sparer und für die Bauern, die ihre Ernte absichern, und für viele andere. Wenn wir uns aber die Welt der real existierenden Derivate anschauen, dann stellen wir fest, dass viele ausschließlich Zockerprodukte sind.

Ich will das an einem Beispiel festmachen. Nehmen wir einmal an, ich hätte vom Derivateverband einen Adventskalender mit 24 Türchen geschenkt bekommen. Hätte ich das erste Türchen aufgemacht, dann hätte ich dahinter ein CDO gefunden. Das ist das Instrument, mit dem faule Häuserkredite in den USA aufgekauft und dann weltweit verteilt worden sind. Hätte ich das zweite Türchen aufgemacht, hätte ich vielleicht ein CDO-squared gefunden, also ein CDO von einem CDO, ein reines Spekulationsprodukt.

(Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Hinter dem dritten Türchen wäre Oskar Lafontaine gewesen!)

Hinter dem dritten Türchen wäre vielleicht ein Credit Ladder Swap gewesen. Das ist ein Produkt, mit dem Kommunen über den Tisch gezogen worden sind.
Hinter dem sechsten oder siebten Türchen hätten wir ein Rohstoff-Future gefunden, also ein vernünftiges, relativ schlichtes Termingeschäft. Aber wenn dieses Produkt von einem Hedgefonds genutzt wird, der es nach 30 Minuten wieder glattstellt er nutzt es also nicht, um wirklich etwas abzusichern , dann wären wir wieder im spekulativen Bereich. An Heiligabend wäre hinter dem entsprechenden Türchen ein Instrument gewesen, das dazu dient, dass ein Unternehmen sein Wechselkursrisiko durch ein Derivat absichern kann.

Das zeigt das Problem. Es geht nicht nur darum, besser zu regulieren und die Regulierung über eine Plattform zu machen, sondern es muss auch darum gehen, diese Geschäfte insgesamt massiv herunterzufahren, weil sie Unsicherheit in den Kapitalmarkt bringen und weil sie nach wie vor zu großen spekulativen Verlusten führen.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir bleiben dabei: Wir brauchen so etwas wie einen Finanz-TÜV. Es muss Schluss damit sein, dass alles an Derivaten möglich ist, was nicht verboten wird. Vielmehr brauchen wir eine Genehmigungsbehörde, die bestimmt: Welche Art von Derivaten ist zulässig die wollen wir haben, die brauchen wir auch für die Realwirtschaft , und welche ist es nicht? Bestimmte Derivate dürfen erst gar nicht auf den Markt kommen. Ein Finanz-TÜV würde auch auf die Akteure, die auf den Finanzmärkten aktiv sind, regulierend wirken. Eine Bank mit einer Niederlassung in einer Steueroase bekäme zum Beispiel von einer solchen TÜV-Einrichtung gar keine Zulassung. Ein Finanz-TÜV würde sich auch endlich mit dem Thema Schattenbanken beschäftigen. Sie trauen sich an dieses Thema ja nicht heran, obwohl dieses Problem immer größer wird. Das ist von der Präsidentin der BaFin schon angesprochen worden.

Deswegen werden wir uns bei der Abstimmung über diesen Gesetzentwurf enthalten. Es geht sicherlich in die richtige Richtung, das heißt, mehr Transparenz zu schaffen. Wenn Sie an die Volumina nicht herangehen, haben wir zwar viel Transparenz, aber weiterhin hochspekulative Produkte, und die müssen eingedämmt werden.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Sehen Sie die Rede im nachfolgenden Video oder auf www.bundestag.de