Krach unter den Regierenden - Zu Lust und Risiken des Kapitalverkehrs

Von Lucas Zeise

22.11.2012 / Junge Welt, 17.11.2012

Es ist das übliche Bild. Wenn ein Unternehmen dem Konkurs entgegentreibt, streiten sich die Gläubiger. Sie feilschen darüber, ob und zu welchen Konditionen der Pleitier Zahlungsaufschub oder sogar frisches Geld erhalten soll. Der Streit wird nicht gern offen geführt. Auch im Fall Griechenland war das bis zum vergangenen Dienstag so. Da allerdings wurden die Journalisten in Brüssel Zeugen offener Meinungsverschiedenheiten zwischen den Finanzministern der Euro-Zone und dem Internationalen Währungsfonds, dargestellt durch den Premier Luxemburgs Jean-Claude Juncker und die IWF-Direktorin Christine Lagarde.

Frau Merkel höchstpersönlich hatte im Frühjahr 2010 beim ersten Hilfs- und Knebelungspaket für Griechenlands darauf bestanden, daß der Währungsfonds mit dabei war. Sie wollte die große Erfahrung der internationalen Behörde bei der Kreditvergabe und der Kontrolle der antisozialen Konditionen dafür im Umgang mit zahlungsunfähigen Entwicklungsländern in aller Welt nutzen. Der IWF hat Merkels Erwartung voll entsprochen. Als Bestandteil der berüchtigten Troika gängelte er bis in unscheinbare Details hinein die Regierungen, und ganz besonders die griechische.

Wie vorauszusehen war, ist das Vorhaben in Griechenland – schon zum dritten Mal – fehlgeschlagen. Der Plan der Geldgeber, das geplagte Land durch rigorose Ausgabenkürzung des Staates und Privatisierungseinnahmen bis 2020 zu befähigen, die bis dahin wachsenden Schulden selber zu bedienen, war selbst gemäß der optimistischen Troika-Rechnung nicht mehr realistisch. Um die Euro-Zone vor einem weiteren Angst- und Spekulationsanfall zu bewahren, entschieden die Gläubiger, diesen Plan um zwei Jahre zu strecken, was realistischer war, aber nach Berechnungen der Troika eine Aufstockung der Hilfskredite um 32 Milliarden Euro erfordert.

Woher dieses Geld kommen soll, darüber ist nun der Streit entbrannt. Eine Aufstockung des genehmigten Kreditprogramms kommt für beide Seiten (IWF und Euro-Finanzminister) nicht in Frage, weil sie politisch schwer durchzusetzen wäre. So schlägt der IWF einen neuen Schuldenschnitt vor. Da die privaten Gläubiger weitgehend von den staatlichen ersetzt worden sind, müßten letztere den Verlust tragen. Theoretisch wäre auch der IWF betroffen. Der hat sich jedoch, langjähriger Praxis folgend, von Anbeginn das Vorrecht ausbedungen, keine Abschreibungen der von ihm vergebenen Kredite hinnehmen zu müssen. Unter Führung des oh so gewissenhaften deutschen Ministers Schäuble ziehen die Euro-Regierungen es vor, die fälligen 32 Milliarden Euro auf spätere Rechnung vorzutragen – bis nach der Bundestagswahl im nächsten Jahr.

Der Krach unter den Regierenden signalisiert deutlicher denn je, wie brüchig die Konstruktionen und Zwangsmaßnahmen zum Erhalt des Euro-Finanzsystems geworden sind. Zeitgleich zeigen die Millionen protestierenden Menschen auf den Straßen, daß sie das rigorose und dabei unfähige Regime nicht mehr lange ertragen werden.