Eurokrise: Geht Frankreich auf Agenda-Kurs?

DGB klartext 39/2012

20.11.2012 / DGB-Bundesvorstand, Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik, 20.11.2012

Mehr Gerechtigkeit in der Wirtschaftspolitik hatte Frankreichs Präsident Francois Hollande beim Amtsantritt versprochen. Doch unter dem Druck von Ratingagenturen und Politik scheint Frankreich nun doch auf die deutsche Reformpolitik einzuschwenken. Für Europa wäre das katastrophal.

Frankreich steht unter Druck: War Präsident François Hollande noch mit dem Versprechen einer gerechteren Wirtschaftspolitik ins Amt gestartet, bringt ihn der Gegenwind jetzt immer mehr vom Kurs ab. Die Ratingagentur Moody´s stuft die Kreditwürdigkeit Frankreichs herab. Aus dem In- und Ausland kommen Forderungen, das Land müsse seine „Wettbewerbsfähigkeit“ verbessern und sich die deutsche Agenda 2010 zum Vorbild nehmen. Zuletzt empfahl sogar der Vorsitzende der deutschen „Wirtschaftsweisen“ die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, den Abbau des Kündigungsschutzes und den schlanken Staat auch jenseits des Rheins.

75 Prozent Spitzensteuersatz

Zunächst sah es noch so aus, als wolle Hollande tatsächlich eine Alternative zu Merkels europaweitem Kürzungskurs liefern. Progressive Maßnahmen, wie die Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 75 Prozent wurden beschlossen. Und auch heute noch kontert die französische Regierung die deutsche Besserwisserei mit sinnvollen Forderungen nach einer Stärkung der Binnennachfrage und der sozialen Sicherung.

Im vergangenen Jahrzehnt war die französische Wirtschaft bei Wachstum und Arbeitsplätzen lange erfolgreicher als die deutsche-Grafik: DGB; Zahlen: Eurostat

Agenda 2010 "light"

Gleichzeitig betreibt Hollande aber eine Politik der Agenda 2010 „light“: Mit Steuererleichterungen und der Senkung von Sozialabgaben um 20 Milliarden Euro will er Unternehmen fit für den internationalen Wettbewerb machen. Daraus spricht die deutsche Vorstellung, nur durch Exportüberschüsse sei man wirtschaftlich erfolgreich. Diese Subventionen für die Unternehmerseite sollen durch Mehrwertsteuererhöhungen und neue Ökosteuern gegenfinanziert werden. Wenn Sozialabgaben der Arbeitgeber durch Steuern zu Lasten aller ersetzt werden, steht das neoliberale Motto „Lohnsenkungen schaffen Arbeitsplätze” Pate.

Nichts ist falscher! Angebotsorientierte Reformen, wie sie jetzt in Frankreich drohen, gehen an den Problemen komplett vorbei. Worunter die Eurozone und letztendlich auch die französische Wirtschaft derzeit leiden, ist ein Einbruch der Nachfrage. Insbesondere die Kürzungen in den Krisenländern lassen die Aufträge für Unternehmen derzeit einbrechen. Die Industrieproduktion schrumpft – hierzulande um 1,8 Prozent, jenseits des Rheins um 2,1 Prozent. Lohnsenkungen in Frankreich würden die Nachfrage weiter strangulieren.

Mit ausgeglichenem Wachstum auf Erfolgskurs

Hinzu kommt: Hollande verspricht, die staatliche Neuverschuldung schon 2013 auf 3 Prozent zu senken. Berechnungen des französischen Forschungsinstituts OFCE zeigen aber, dass dazu 40 bis 45 Milliarden Euro in einem Jahr gespart werden müssten. Schon Einsparungen von 33 Milliarden Euro würden das BIP um 1,5 Prozent dämpfen und Frankreich in die Rezession schicken.

Wenn Frankreich auf den deutschen Agenda-Kurs angebotsorientierter, neoliberaler Reformen einschwenkt, wäre das katastrophal für Europa. Die Franzosen müssten es eigentlich auch besser wissen. Sie haben sich dieser Politik lange widersetzt und auf ein ausgeglichenes Wachstum gesetzt: Die Binnennachfrage konnte sich dank guter Löhne und des Sozialstaates gut entwickeln. So war die französische Wirtschaft im vergangenen Jahrzehnt bei Wachstum und Arbeitsplätzen lange erfolgreicher als die deutsche, wie die Grafik (siehe oben) zeigt

Den Artikel mit Statistiken finden Sie im Anhang

Lesen Sie dazu auch einen Artikel zur Herabstufung der Kreditwürdigkeit Frankreichs auf www.welt.de