Emissionshandel: Kommission für Abbau des Zertifikate-Überschusses - Entwurf des Berichts zum europäischen Kohlenstoffmarkt 2012

Von Michael Kaczmarek

03.11.2012 / aus: euractiv.de, 2.11.2012

Der Überschuss an CO2-Zertifikaten und der damit verbundene Preisverfall gefährden das Funktionieren des europäischen Emissionshandelssystems (EU ETS), warnt die EU-Kommission. Im Entwurf des Kohlenstoffmarkt-Berichts legt die Behörde Reformvorschläge vor. Der Widerspruch einiger Mitgliedsstaaten ist sicher.

Die EU-Kommission wird nach Medienberichten am 14. November den Bericht zur Lage auf dem europäischen Kohlestoffmarkt 2012 vorstellen. Darin werden Vorschläge für Sofortmaßnahmen und für grundlegende Reformen des europäischen Emissionshandelssystems (EU ETS) enthalten sein.

Das geht aus dem Entwurf des Berichts hervor, in dem die Kommission die Schwachstellen des EU-Emissionshandelssystem analysiert.

Ernsthaftes Ungleichgewicht im ETS

"Die Folgen der Wirtschaftskrise und einiger regulatorischer Vorschriften bezüglich der Transition in die Phase 3 haben sowohl kurz- als auch langfristig ein ernsthaftes Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage entstehen lassen. Wird das Problem nicht angegangen, so werden diese Ungleichgewichte die Fähigkeit des EU ETS, seine ursprünglich anvisierte Rolle auszufüllen - also einen wirtschaftlichen Anreiz für Investitionen in die Emissionsreduktion zu schaffen - schwerwiegend geschädigt", heißt es in dem Berichtsentwurf.

Die Phase 3 des Emissionshandelssystems startet im kommenden Jahr. Die Kommission hat berechnet, dass ohne grundlegende Reformen des ETS in dieser Phase (2013 bis 2020) ein potenzieller struktureller Überschuss von etwa zwei Milliarden Zertifikaten bestehen wird. Letztlich würde ein solcher Überschuss zu einem weiteren Preisverfall der Zertifikate führen (derzeit bereits unter 10 Euro) und damit keinen Anreiz mehr schaffen, in kohlenstoffarme Technologien zu investieren.

Maßnahmen gegen Preisverfall

Marktbeobachter wie Thomson Reuters Point Carbon rechnen damit, dass der Preis für EU-Zertifikate ohne eine Korrektur in der Gesamtmenge der Zertifikate im Jahr 2013 auf 4 Euro pro Tonne CO2 fallen wird, schreibt Markus Ohndorf, Oberassistent und Dozent an der Professur für Nationalökonomie am Institut für Umweltentscheidungen (IED) der ETH Zürich. Dies würde die Lenkungswirkung des Emissionshandels noch einmal stark reduzieren.

Als kurzfristige Gegenmaßnahme setzt die Kommission auf das sogenannte "back loading", also das zeitliche Herauszögern der Versteigerung neuer CO2-Emissionsrechte. Die Auktionen "eines bestimmten Anteils der Zertifikate, die für 2013, 2014 und 2015 geplant waren", sollen verschoben werden. Hierzu sollen die ETS-Richtlinie (ETS: EU-Emissionshandelssystem) und die Versteigerungsverordnung geändert werden. Diese Maßnahme ist unter Experten umstritten.

So warnen Götz Reichert und Jan S. Voßwinkel vom Centrum für Europäische Politik (CEP) vor den Folgen der damit ausgelösten Planungsunsicherheit. Sie befürchten, dass damit die Funktionsfähigkeit des Emissionshandelsmarktes gefährdet wird (EurActiv.de vom 29. Oktober 2012).

Das umstrittene "back loading" genügt allerdings nicht, um den strukturellen Zertifikate-Überschuss abzubauen. "Da die während der Wirtschaftskrise zugewiesenen Zertifikate auch lange nach dem Ende der Krise verwendet werden können, werden die Effekte dieses Überschusses noch lange nach 2020 spürbar sein. Nur eine strukturelle Reform könnte dieses Überangebot korrigieren und somit seinen Langzeiteffekt beschränken", heißt es in dem Berichtsentwurf.

Vorschläge zur Korrektur des EU ETS

Die Kommission listet sechs mögliche Strukturmaßnahmen auf:

1) Erhöhung des EU-Reduktionsziels für CO2-Emissionen bis 2020 auf 30 Prozent,

2) Zurückziehen einiger Zertifikate, die für Phase 3 vorgesehen waren,

3) Absenken des ursprünglich bis 2020 festgelegten jährlichen Reduktionsfaktors,

4) Ausweiten des Geltungsbereichs des EU ETS auf weitere Industriebereiche,

5) Beschränken des Zugangs von internationalen Zertifikaten ins EU ETS,

6) Einführen eines Mindestpreises für Zertifikate.

Ablehnung in Mitgliedsstaaten

Die meisten Vorschläge bedürfen der Zustimmung durch Rat und Parlament. Doch vor allem unter den Mitgliedsstaaten sind die Kommissionsvorschläge umstritten. Länder, die aufgrund des Wirtschaftseinbruchs oder aufgrund des Strukturwandels einen deutlichen Zertifikatenüberschuss angehäuft haben, wollen die ihnen politisch zugeteilten Verschmutzungsrechte zu Geld machen. Vor allem Polen, die Slowakei und andere osteuropäische Länder haben sich bisher gegen solche Überlegungen ausgesprochen.

Links

EU-Kommission: Entwurf Bericht zur Lage auf dem europäischen Kohlestoffmarkt 2012

EU-Kommission: EU greenhouse gas emissions and targets