Inflationsangst unbegründet

DGB klartext 35/2012

22.10.2012 / DGB-Bundesvorstand, Abteilung Wirtschafts-, Finanz-und Steuerpolitik, 19.10.2012

Von Finanzminister Schäuble über Bundesbankpräsident Weidmann bis zum „Spiegel“: Alle sind sich einig, dass unser Geld bald weniger wert ist. Die Europäische Zentralbank (EZB) drucke Geld zur Krisenbekämpfung. Die größere Geldmenge führe dann zu Inflation.

Doch das ist Panikmache: Zum einen steigt die Geldmenge gar nicht besonders schnell. Im Gegenteil: Die EZB pumpte zwar Milliarden in den Bankensektor um Banken in Krisenländern zu retten, die mit der Kapitalflucht in Richtung sicherer Häfen wie Deutschland zu kämpfen haben. Laut IWF flossen allein aus Spanien fast 300 Mrd. Euro in einem Jahr ab. Die EZB ersetzt den Krisenbanken aber nur das fehlende Geld und sammelt gleichzeitig das überschüssige Geld in Ländern wie Deutschland größtenteils wieder ein.

Geldmenge steigt langsamer als vor der Krise

Außerdem wird die Geldmenge („M3“) vor allem durch die Kreditvergabe der Geschäftsbanken bestimmt. Die Kreditvergabe ist aber in der aktuellen Krise geringer als vor der Krisenzeit: In der Rezession sinken die Erträge der Unternehmen und kreditfinanzierte Investitionen werden zurückgefahren. Auch immer mehr private Haushalte verlieren wegen Arbeitslosigkeit ihre Kreditwürdigkeit. Die Folge: Trotz der EZB-Interventionen steigt die Geldmenge in der Eurozone seit 2008 sogar weit langsamer als vor der Krise.

Vor allem hängt die Inflation gar nicht unmittelbar von der Geldmenge ab. Unternehmen orientieren sich bei der Preissetzung eher daran, wie hoch ihre Kosten sind, wie groß die Nachfrage und wie stark die Konkurrenz für ihre Produkte ist. Sie verlangen hohe Preise, wenn die Produktionsanlagen voll ausgelastet sind. Im Moment haben wir das Gegenteil: Die Rezession steht vor der Tür, die Nach­frage stagniert, Unternehmen drosseln die Produktion. Selbst wenn frisches Geld tatsächlich so verteilt würde, dass es in mehr Konsum fließt, steigert das noch nicht die Preise. Die Unternehmen würden dann zunächst ihre Produktion ausweiten und für neue Jobs sorgen.

Immobilienpreise und Energiekosten steigen

Theoretisch ist die Inflationsangst wegen der EZB-Geldpolitik unbegründet. Und praktisch? Die Verbraucherpreise stiegen im letzten Jahr um 2,1% – kein hoher Wert. Rechnet man die Lebensmittel- und die Energiepreise (+ 6,7%) heraus, betrug die „Kerninflationsrate“ mickrige 1,2%. An den hohen Energiekosten ist aber weder die EZB noch die Geldmenge schuld. Dagegen helfen nur Investitionen in Energieeffizienz, um den Energieverbrauch und damit dessen Anteil an der Inflationsrate zu senken.

Die „gefühlte Inflation“ wird außerdem durch steigende Immobilenpreise bestimmt: In Berlin stiegen sie letztes Jahr um 18 % und die Mieten um 8 %. Doch nicht die EZB, sondern die ungelöste Krise in Europa veranlasst viele deutsche und ausländische Anleger, ihr Geld in vermeintlich sichere Anlagen, wie deutsche Immobilen zu investieren.

Nicht die EZB, sondern die Politik ist gefragt, mit einer effektiven Krisenbekämpfung und Finanzmarktregulierung die Geldströme wieder in Investitionen, anstatt in Immobilien zu lenken und mit Förderung der Energieeffizienz den Energieverbrauch und damit die Abhängigkeit von den Brennstoffimporten zu reduzieren.