Von der Leyens Rentenpaket: Fette Profite für die Versicherungswirtschaft statt guter Rente und gezielter Armutsbekämpfung

Von Matthias W. Birkwald

13.08.2012 / 10.8.2012, www.linksfraktion.de,Die Fraktion in den Medien

Matthias W. Birkwald, rentenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, hatte knappe drei Tage Zeit für eine Stellungnahme: Am späten Abend des 7. August 2012 hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales den Fraktionen des Bundestages den Referentenentwurf eines "Alterssicherungsstärkungsgesetz" übermittelt, der den bisherigen Entwurf eines "Lebensleistungsanerkennungsgesetzes" als Ergebnis des Regierungsdialogs Rente ablöst. Für eine Stellungnahme wurde den Abgeordneten eine unverschämt kurze Frist bis zum 10. August gewährt.

Ursprünglich wollte Arbeits-und Sozialministerin Dr. Ursula von der Leyen Altersarmut bekämpfen. Vorschläge für dieses im Koalitionsvertrag festgelegte Ziel sollten von einer Altersarmutskommission erarbeitet werden. Doch daraus ist nichts geworden: Ankündigen, abwarten, absagen – das ist die traurige Bilanz des versprochenen Engagements von CDU/CSU und FDP gegen Altersarmut. An die Stelle der Altersarmutskommission trat der so genannte „Regierungsdialog Rente“. Doch dieser Dialog war, wie der Präsident der Volkssolidarität bitter beklagt, nicht mehr als eine „scheindemokratische Veranstaltung“. Denn die wesentliche Ergebnisse standen bereits von Anfang an fest: Zuschuss-Rente, minimale Anpassungen in der Erwerbsminderungsrente und Kombi-Rente. Neben den drei genannten Maßnahmen enthält das gesamte Rentenpaket vier weitere: die Versicherungspflicht für Selbständige, die Möglichkeit für Arbeitgeber_innen, freiwillig zusätzliche Beiträge für die Arbeitnehmer_innen in die Rentenkasse einzuzahlen, mehr Geld für Rehabilitations-Maßnahmen und die Absicht, die Riester-Rente verständlicher und damit besser verkaufbar zu machen.

Bis auf die Versicherungspflicht für Selbständige und die Änderungen bei der Riester-Rente sind diese Maßnahmen im März 2012 in einen ersten Referentenentwurf (Stand 22.03.2012) für ein „Gesetz zur Anerkennung der Lebensleistung in der Rentenversicherung“, kurz: „RV-Lebensleistungsanerkennungsgesetz“ gegossen worden. Inzwischen liegt ein geänderter Entwurf vor: Am späten Abend des 07. August 2012 hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales den Fraktionen mit der Möglichkeit zur Stellungnahme bis zum 10. August einen überarbeiteten Referentenentwurf mit dem neuen Titel „Alterssicherungsstärkungsgesetzes“ zugeschickt.

Wie zuvor ist bereits der Titel ist zynisch. Und: Mit einer Stärkung der Alterssicherung, mit Lebensstandardsicherung oder mit Armutsbekämpfung, geschweige denn Armutsvermeidung hat das Rentenpaket auch nach den Änderungen durch den neuen Rentenentwurf rein gar nichts zu tun. Denn je größer das Risiko, im Alter arm zu werden, desto weniger greifen die Instrumente des so genannten „Alterssicherungstärkungsgesetzes“. Armutsvermeidung muss am Arbeitsmarkt ansetzen. Doch vom Zurückdrängen prekärer Beschäftigung, von einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn oder von dem Verbot oder zumindest von einer weitreichenden Eindämmung von Leiharbeit und der Abschaffung der Minijobs ist in den Rentendialogpapieren nichts zu lesen. Im Gegenteil: Union und FDP planen, die Mini-Jobs noch attraktiver zu gestalten, indem satt 400 künftig 450 Euro verdient werden dürfen.

Von der schwarz-gelben Armutsvermeidung wird in erster Linie die Versicherungswirtschaft profitieren. Denn mit der Zuschuss-Rente und der Regelung für Selbständige wird die private Altersvorsorge de facto zur Pflicht. Damit macht sich die Ministerin von der Leyen zur Cheflobbyistin für Allianz und Co.

DIE LINKE lehnt aus guten Gründen die Privatsierung der Altersvorsorge ab. Die Riester-Rente ist ein Goldesel für die Versicherungswirtschaft, der mit dem Rentenpaket noch besser gefüttert wird. Aber sie ist bestenfalls ein Sparstrumpf für die Versicherten. Die Riester-Rente hängt an den unsicheren Finanzmärkten und bläht diese zusätzlich auf. Sicherheit – Fehlanzeige! Solidarität – kommt nicht vor!

„Alterssicherungsstärkungsgesetz“ – ein Etikettenschwindel

Lebensleistung anerkennen – das war einst das Ziel der gesetzlichen Rente. Was einmal im Erwerbsleben erreicht worden war, sollte im Alter erhalten bleiben. Lebensstandardsicherung war der Kern der Rente. Bereits die Bezeichnung, unter der die Zuschuss-Rente, die Anpassung der Erwerbsminderungsrente und die Kombi-Rente Wirklichkeit werden sollen, ist irreführend: Wer die Alterssicherung stärken will, darf von dem vor zehn Jahren begonnenen Ausstieg aus der Lebensstandardsicherung nicht schweigen. Mit den Riester-Reformen haben SPD und Grüne vor mehr als zehn Jahren die Rente entkernt. Seitdem sinkt das Rentenniveau per Gesetz. Die von Schwarz-Rot durchgedrückte Rente erst ab 67 kürzt die Renten noch weiter. Dieses Muster, das Rentenniveau zu drücken, setzt Schwarz-Gelb fort: Im Referentenentwurf ist vorgesehen, den Rentenbeitrag für Arbeitnehmer_innen und Arbeitgeber_innen von derzeit 19,6 zum 01. Januar 2013 auf 19,0 abzusenken. Das ist der falsche Weg, denn sinkende Beiträge führen zu sinkenden Renten und letztendlich zu steigender Altersarmut. Statt wie die Bundesregierung auf ein paar Euro mehr Netto vom Brutto zu starren, muss die Rente endlich wieder darauf ausgerichtet werden, langfristig den Lebensstandard im Alter zu sichern. Darum lehnt DIE LINKE die vorgesehene Beitragssatzsenkung ab.

Mit den Hartz-Reformen haben SPD und Grüne der gesetzlichen Rente den Nährboden entzogen. Mit Leiharbeit, Mini-Jobs, miesen Löhnen und Hartz IV kann sich niemand einen guten Lebensstandard aufbauen. Doch davon will Frau von der Leyen ebenso wenig wissen wie von der seit mehr als zwanzig Jahren versprochenen, hinausgezögerten und nun auch in dieser Legislaturperiode wieder abgesagten Angleichung der ostdeutschen Renten an das Westniveau. Ostdeutsche erhalten für die gleiche Lebensleistung noch immer weniger Rente als Westdeutsche. Gegenwärtig erhalten Ostdeutsche nach 45 Jahren Durchschnittsverdienst monatlich 142 Euro weniger Rente als Westdeutsche. CDU/CSU und FDP wollen daran gar nichts ändern. Hier gilt: Versprochen – gebrochen.

DIE LINKE fordert, dass die gesetzliche Rente wieder den Lebensstandard sichert. Die Renten in Ostdeutschland müssen endlich auf Westniveau gehoben werden. Und: Wer von Armutsvermeidung redet, darf von guter Arbeit nicht schweigen: Leiharbeit muss verboten, jede Stunde Erwerbsarbeit muss voll sozialversichert und ein flächendeckender, gesetzlicher Mindestlohn in Höhe von mindestens zehn Euro muss eingeführt werden.

Zuschuss-Rente: Je stärker die Menschen von Altersarmut bedroht oder betroffen sind, des-to weniger hilft sie ihnen

Die Zuschuss-Rente werden nur Wenige erhalten. Wer heute schon arm ist, hat nichts davon. Denn die Zuschussrente gilt erst für Menschen, die ab 2013 in Rente gehen werden. Die später von Altersarmut Bedrohten haben auch nichts davon. Denn um die Zuschuss-Rente sind für Viele unüberwindbare Hürden aufgebaut (Tabelle 1). An diesen Hürden hat das Bundesarbeitsministerium unter der Leitung von Ursula von Leyen trotz massiver Kritik aus Sozialverbänden, Gewerkschaften und nicht zuletzt von der LINKEN nichts geändert.

Zugangshürde Versicherungszeiten

Frauen, die 2010 in Rente gingen, konnten durchschnittlich 32,6 Versicherungsjahre nachweisen. Westdeutsche Frauen sogar nur 30,2. Um in den Genuss einer Zuschussrente zu kommen, sind aber mindestens 40, ab dem Jahr 2023 sogar 45 Versicherungsjahre erforderlich.

Zugangshürde Pflichtbeitragsjahre

Unter den 40, später dann 45 Versicherungsjahren müssen 30, ab 2023 dann 35 Pflichtbeitragsjahre sein. Dazu zählen z.B. Beiträge aus einem Job, aus Kindererziehungs-und Pflegezeiten.

Je länger und häufiger die Menschen von Erwerbslosigkeit betroffen sind, desto größer wird die Gefahr der Altersarmut! Und desto kleiner wird die Chance auf eine Zuschussrente! Denn CDU/CSU und FDP haben dafür gesorgt hat, dass seit 2011 für Hartz-IV-Betroffene keine Beiträge mehr an die Rentenkasse gezahlt werden. Für Erwerbslose, die Arbeitslosengeld I erhalten, werden Pflichtbeiträge an die Rentenkasse gezahlt. Doch bei der Zuschussrente werden sie einfach nicht mitgezählt. Gleiches gilt für Zeiten des Bezugs der früheren Arbeitslosenhilfe. Für Erwerbslose, insbesondere für Ostdeutsche, wird es also ungleich schwieriger sein, die Pflichtbeitragshürde von 30 und später 35 Jahren zu überwinden. Denn in den vergangenen zehn Jahren waren die Arbeitslosenquoten in Ostdeutschland nahezu durchgehend ungefähr doppelt so hoch wie die in Westdeutschland. Die Einzelnen waren zudem auch häufiger und länger von Erwerbslosigkeit betroffen.

Zugangshürde private Altersvorsorge – Nachfrageprogramm für Privatversicherung

Trotz des rot-grünen Riester-Desasters wird die Riesterei für Geringverdiener_innen durch die Hintertür zur Pflicht gemacht. Denn wer eine Zuschussrente will, muss ab dem Jahr 2019 mindestens fünf, später dann 35 Jahre zusätzlicher Vorsorge nachweisen. Aufgehübscht werden soll die magere Riester-Rente, indem sie später nicht auf die Zuschussrente angerechnet werden wird.
DIE LINKE fordert: Statt die Taschen der Versicherer zu füllen müssen die in Milliardenhöhe gezahlten staatlichen Subventionen in die gesetzliche Rentenversicherung fließen!

Höhe der Zuschussrente – zu wenig, um frei von Armut leben zu können


850 Euro Rente? Von wegen…

Die Zuschussrente soll kleine Renten maximal auf 850 Euro aufstocken. Brutto. Netto, nach Abzug von Kranken-und Pflegeversicherungsbeiträgen, sind es nur noch 764 Euro. Das sind gerade mal 76 Euro mehr als die Grundsicherung im Alter durchschnittlich hergibt. Doch nicht Allen, die die Zuschussrente erhalten, bleibt der Gang zum Grundsicherungsamt erspart. Die Zuschussrente hat eine Begrenzung nach oben. Aber nicht nach unten.

In der Rente gilt: Wer ein Jahr lang durchschnittlich verdient hat (im Jahr 2011 waren es 30.268 ¤), erhält einen Entgeltpunkt (EP). Auf den Monat herunter gerechnet heißt das: Wer in einem Monat des Jahres 2011 2522 ¤ brutto verdiente, erhielt pro Monat 0,0833 EP gutgeschrieben. Die Zuschuss-Rente setzt bei unterdurchschnittlichen Einkommen an, also bei weniger als 0,0833 EP pro Monat.

Zuschuss-Rente straft kinderlose Arme

Wer weniger als 0,0833 EP in einem Monat erreicht hat, erhält einen Zuschuss, der die eigenen EP erhöht. Aber nicht Alle erhalten das Gleiche: Wer Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt hat, der oder dem werden die vorhanden EP um 150%, also um das 2,5-Fache erhöht. Wer keine Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt hat, dem oder der wird die Rente um nur 50%, also um das 1,5-Fache erhöht. Die leichten Verbesserungen, die sich durch Kindererziehung und die Pflege von Angehörigen ergeben können, werden so durch Verschlechterungen für kinderlose Geringverdienerinnen und Geringverdiener erkauft. Diese unselige Trennung in würdige und unwürdige Armutsrentnerinnen und -rentner entlang der Kinderfrage darf auf keinen Fall Gesetzeskraft erlangen.

Der Rentenzuschuss ist zudem gleich zweifach begrenzt: Im Monat auf maximal 0,0833 EP, d.h. auf den Durchschnittsverdienst und im gesamten Erwerbsleben auf 30,3 EP. Die Rente errechnet sich aus den EP multipliziert mit dem so genannten aktuellen Rentenwert (aRW). Derzeit beträgt der aRW 28,07 ¤. Daraus ergibt sich die Obergrenze der Zuschuss-Rente: 30,3*28,07 = 850,52. Im Osten fließt das Verhältnis von Rentenwert Ost zu West in die Berechnung ein, so dass sich derselbe maximale Betrag ergibt.

DIE LINKE will, dass niemand im Alter in Armut leben muss. Darum fordern wir eine Solidarische Mindestrente für ein Alter frei von Armut.

Erwerbsminderungsrente: Altersarmutsrisiko bleibt unverändert hoch

Die Hürde „Pflichtbeitragszeiten“ ist kaum zu schaffen.

Erwerbsminderung ist ein zentrales Risiko für Altersarmut. Durchschnittlich beträgt die Rente bei voller Erwerbsminderung 640 Euro, also 28 Euro weniger als die durchschnittliche Grundsicherung für Erwerbsgeminderte. Menschen mit Erwerbsminderungen gehen durchschnittlich im Alter von 50,4 Jahren in Rente. Sie haben also kaum eine Chance, die 30 oder später dann 35 Pflichtbeitragsjahre zu erfüllen. Denn wer mit 50 Jahren in die Erwerbsminderungsrente geht, müsste also vom 20. Lebensahr an durchgängig Beiträge gezahlt, Kinder erzogen oder Familienangehörige gepflegt haben, um die 30 Jahre zu erfüllen. Wer studiert hat oder zwischenzeitlich erwerbslos war, geht in der Regel leer aus. Ab 2023 verschärft sich die Lage. Dann müssten Erwerbsgeminderte 35 Jahre nachweisen. Sie werden dann in der großen Mehrheit von der Zuschussrente ausgeschlossen sein.

Die Anpassung der Erwerbsminderungsrente an die Rente erst ab 67 bringt nicht mehr, aber auch nicht viel weniger Altersarmut.

Wer vor dem 60. Lebensjahr in eine Erwerbsminderungsrente geht, der oder dem werden für die Rente bestimmte Zeiten gutgeschrieben. Diese Zurechnungszeit richtet sich nach dem Durchschnitt der Beiträge, die eine Versicherte oder ein Versicherter vor der Erwerbsminderungsrente eingezahlt hat. Es wird also so getan, als hätten die Betroffenen bis 60 weitergearbeitet. Im „Alterssicherungsstärkungsgesetz“ ist vorgesehen, die Zurechnungszeit um zwei Jahre zu verlängern. Auf Nachfrage hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales angegeben, dass damit die Zahlbeträge „um rund 5 Prozent“ (Antwort BMAS auf die Kleine Anfrage von Matthias W. Birkwald, BT-Drs. 17/9826: Frage 12, S. 7) angehoben würden. Eine durchschnittliche Rente für voll Erwerbsgeminderte von derzeit 640 Euro stiege also auf 672 Euro und erreichte damit nicht einmal das Grundsicherungsniveau bei Erwerbsminderung (678 Euro Bruttobedarf laut Statistischem Bundesamt).

Allerdings können Erwerbsgeminderte derzeit frühestens mit 63 Jahren in Rente gehen. Für jeden Monat, den sie davor in eine Erwerbsminderungsrente gehen, wird ihnen die Rente um 0,3, maximal jedoch um 10,8 Prozent gekürzt. Von diesen Abschlägen waren im Jahr 2010 nahezu alle neuen Erwerbsminderungsrentner_innen, genau: 96,3 Prozent, betroffen.

Der Vorschlag, die Zurechnungszeit von 60 auf 62 zu verlängern, ändert an der Misere kaum etwas. Denn er passt die Zurechnungszeit nur der mit der „Rente erst ab 67“ auch für Erwerbsgeminderte erhöhten Altersgrenze an: Sie wird bis zum Jahre 2023 vom derzeit 63. auf das 65. Lebensjahr steigen. Es bleibt also bei der Lücke von drei Jahren und bei den maximal 10,8 Prozent Rentenkürzung.
Das will DIE LINKE ändern! Deshalb fordern wir, die Rente erst ab 67 und mit ihr die neue Altersgrenze für Erwerbsgeminderte von 65 Jahren zurückzunehmen. Zudem müssen die ungerechten, maximal 10,8 Prozent betragenden Abschläge gestrichen werden! Ohne diese ungerechten Kürzungen wäre die durchschnittliche Rente bei voller Erwerbsminderungsrente 12
Prozent höher, betrüge also statt aktuell 640 Euro gut 77 Euro mehr, also 717 Euro (siehe Ant-wort BMAS auf die Kleine Anfrage von Matthias W. Birkwald, BT-Drs. 17/9826: Frage 12, S. 8).

Kombi-Rente: Ältere werden gegen Jüngere ausgespielt – und beide verlieren

Wer vorzeitig, also ab dem 63. Lebensjahr, in Rente geht, soll mehr hinzuverdienen dürfen. Und zwar soviel, bis die Rente und der Zuverdienst zusammen genau so hoch sind wie das frühere Bruttoeinkommen in den vergangenen 15 Jahren vor Renteneintritt.

Die fatale Logik dieser Kombi-Rente lautet: Je billiger das Arbeitskraftangebot, desto größer die Nachfrage. Das ist nichts weiter als das Eingeständnis, dass die Menschen eben nicht mit anständigen Löhnen bis 67 arbeiten können. Aktuell haben nicht einmal zehn Prozent der 64Jährigen einen sozialversicherungspflichtigen Vollzeitjob.

Alt und Jung werden hier gegeneinander ausgespielt: Für junge Leute muss der volle Lohn gezahlt werden, bei Älteren darf es etwas weniger sein, denn sie haben ja bereits ihre Rente. Doch selbst wenn die Älteren den Job kriegen oder behalten können, verlieren sie langfristig. Denn wer vorzeitig in Rente geht, dem wird die Rente gekürzt. Ein Leben lang. Wer heute mit 63 in Rente geht, kriegt 7,7 Prozent weniger Rente. 900 Euro Rente schrumpften so auf 831 Euro. Wer bis 67 arbeiten muss und mit 63 geht, muss 14,4 Prozent Rentenabschlag hinnehmen. Von 900 Euro Rente blieben dann nur noch 770 Euro.
DIE LINKE will, dass die Rente erst ab 67 vollständig zurückgenommen wird. Statt Malochen bis zum Tode brauchen wir ein realistisch erreichbares Rentenalter, flexible Übergänge und eine armutsfreie Solidarische Mindestrente!

Versicherungspflicht für Selbständige: Förderprogramm für die private Versicherungswirtschaft

Alle bisher nicht versicherten Selbständigen werden verpflichtet, für das Alter vorzusorgen. Das ist nicht falsch. Jedoch können die Selbständigen sich aussuchen, wie sie vorsorgen. Damit erhalten die Privatversicherer eine Lizenz zum Rosinenpicken. Sie können sich die profitversprechenden Fälle aussuchen, während die gesetzliche Rentenversicherung alle anderen aufnehmen muss. Offenbar ist es der FDP gelungen, ein weiteres gigantisches Förderprogramm für die private Versicherungswirtschaft durchzusetzen.
DIE LINKE fordert: Alle Erwerbstätigen – also nicht nur Selbständige und wie bisher schon sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, Erziehende, Pflegende und Erwerbslose, sondern auch Beamtinnen und Beamte, Politikerinnen und Politiker – sollen künftig in eine Solidarische Rentenversicherung einbezogen werden. Dies bringt den Selbständigen nicht nur eine sichere, kontinuierliche Altersvorsorge und eine umfassende Absicherung auch für den Fall der Erwerbsunfähigkeit, der Kindererziehung und Pflege, sondern stärkt auch die Solidargemeinschaft.

Reha: Der Finanzierungsdeckel bleibt und wird nur zeitweise weggehoben

Rehabilitation geht vor Rente. Wer die Voraussetzungen erfüllt und eine Reha-Maßnahme braucht, der oder die soll sie auch erhalten. Daraus folgt eigentlich logisch, dass sich auch die Menge des Geldes, das für Reha-Maßnahmen ausgegeben werden kann, am tatsächlichen Bedarf orientieren muss. Doch vor gut 15 Jahren hat die damalige schwarz-gelbe Regierung festgelegt, dass die gesetzliche Rentenversicherung nur einen politisch willkürlich festgesetzten Betrag für Reha-Leistungen ausgeben darf. Das ist der so genannte Reha-Deckel: Das verfügbare Reha-Budget orientiert sich nicht am vorhandenen Bedarf derer, die wieder gesund werden oder auch mit Behinderung arbeiten wollen, sondern an der durchschnittlichen Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Dieser Deckel soll nur zweitweise weggenommen und später wieder draufgelegt werden. Dass dies gegenüber dem ersten Entwurf bereits zum 01. Juli 2013 und nicht erst zum 01. Januar 2017 geschehen soll, ist zu begrüßen. Doch der Grundsatz, dass Reha nach Bedarf bewilligt und folglich auch nach Bedarf finanziert werden muss, wird schlicht missachtet. Die Alternative lautet: entweder Deckel oder Bedarf.
DIE LINKE fordert: Leistungen zur Teilhabe müssen sich im Interesse der Betroffenen am Bedarf ausrichten. Das ist auch eine Frage sozialer Gerechtigkeit. Deshalb muss der Reha-Deckel komplett abgeschafft werden!

Riester-Rente: Verbraucherfreundliches Antlitz für eine sozialpolitische Katastrophe

Die Riester-Rente soll transparenter, vergleichbarer und von einer ganz schlechten Leistung zu einer nur noch ein bisschen schlechten Leistung umgemodelt werden. Über 14 Milliarden Euro hat die Riester-Rente die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler seit 2002 an Förderung schon gekostet. Eine Förderquote von 30% unterstellt (vgl. Auskunft der BReg. auf Anfrage der Linken aus 2011-Drs. 17/7964, S. 78) sind damit seit 2002 gut 45 Milliarden Euro* an Beiträgen und Zulagen in Riester-Verträge geflossen. Alleine an die sechs größten Anbieter von Riester-Verträgen sind mehr als vier Milliarden Euro an Zulagen und rund 14 Milliarden Euro an Beiträgen geflossen. Trotz dieser immensen Summen weiß die Bundesregierung nicht, wie hoch die Rentenansprüche der Versicherten sind. Sie weiß auch nicht, wie viel Kapital zur Deckung der Rentenansprüche zur Verfügung steht. Eine solche Intransparenz würde bei der Gesetzlichen Rentenversicherung niemals akzeptiert werden.

DIE LINKE fordert: Vorrang für die gesetzliche Rente! Die für die Riester-Rente ausgegebenen Steuersubventionen in Milliardenhöhe müssen endlich in die gesetzliche Rente umgeleitet werden. Denn nur die gesetzliche Rente bietet wirkliche Sicherheit und echte Solidarität.

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* Berechnungen: Laut Antwort der Bundesregierung auf eine KA der LINKEN (DS 17/7964, S. 79ff.) waren bis 2010 insgesamt rund 36,5 Mrd. Euro an Beiträgen und Zulagen an die Banken und Versicherungen geflossen; davon alleine gut 8 Mrd. im Jahr 2010. Laut der neuen Antwort auf eine schriftliche Frage muss für 2011 mindestens das Beitragsvolumen für 2010 (gut acht Milliarden Euro) angenommen werden (die Zulagen sind laut Bundesregierung 2011 und 2010 gleich hoch). Addiert man die so berechneten acht Milliarden zu den von der Bundesregierung angegebenen 36,5 Mrd. Euro, kommt man auf rund 45 Milliarden Euro, welche von 2002 bis 2011 an Beiträgen und Zulagen in Riesterverträge geflossen sind.