Euroland, deine Sternchen

Von Michael Krätke, FREITAG ONLINE

16.07.2012 / 14.7.2012

Unterm Schirm: Mit Zypern und Slowenien werden nun auch kleinere Eurostaaten Bekanntschaft mit dem Rettungsfonds schließen

Derzeit haben die Kommunisten in Europa die Macht übernommen. Doch als Dimitris Christofias, Präsident Zyperns und bis 2009 Vorsitzender der eurokommunistischen Partei AKEL, die EU-Präsidentschaft übernahm, blieb der obligate Aufschrei deutscher Medien aus. Die kleine Kriseninsel mit knapp einer Million Einwohnern hat bereits am 25. Juni offiziell um einen Platz unterm Rettungsschirm gebeten. Auf Zypern übernimmt demnach bald eine Troika aus EU-Kommission, IWF und EZB die Macht.

Damit werden nunmehr fünf Länder aus dem Krisenfonds versorgt – der sechste Aspirant Slowenien steht trotz Dementi kurz davor, einen Hilferuf nach Brüssel zu senden. Im Fall Zypern geht es um etwa zehn Milliarden Euro, bei Slowenien um fünf. Andere kleine Länder der Eurozone wie Malta, Estland und die Slowakei haben unter der Euro-Krisenpolitik erheblich gelitten und fürchten Verluste in nächster Zukunft. Was sie tun werden, wenn die eintreten, liegt auf der Hand.

Zypern und Slowenien können als exemplarische Fälle behandelt werden. Beide Staaten hatten 2007 (als Slowenien den Euro übernahm) und 2008 (als Zypern folgte) keine überbordenden Staatsschulden oder Haushaltsdefizite. Die Verbindlichkeiten Sloweniens lagen 2008 bei gerade einmal 22 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), seither hat sich diese Quote mehr als verdoppelt: auf 47,3 Prozent Ende 2011. Das Haushaltsdefizit stieg auf über 6,5 Prozent des BIP. Zypern erzielte 2008 gar einen Haushaltsüberschuss von 0,9 Prozent und konnte etwas für die Tilgung seiner Schulden tun. Im Juli 2012 freilich balanciert die Inselrepublik auf der Kante zur Staatspleite, und das bei einer Neuverschuldung von gerade einmal fünf Prozent.

Der Grund für die Misere beider Länder – sie müssen eine nationale Bankenkrise eindämmen, was klar über ihre Finanzkraft geht. Wie in Spanien haben die Finanzmärkte prompt darauf reagiert: Mit flott steigenden Zinsen für die Staatsanleihen Zyperns und Sloweniens. Mehr als nur ein Indikator dafür, wie irreal die Maastricht-Kriterien mittlerweile sind.

Zinsen im Steigflug

Zypern war und ist ein Banken- und dazu ein Steuerparadies (nur zehn Prozent Körperschaftssteuer) mit allen Schikanen für einen überdimensionierten Finanzsektor als dem größten Arbeitgeber. Zyperns Unglück ist die Abhängigkeit des Bankensektors von griechischen Staatsanleihen, so dass der Schuldenschnitt für Athen Anfang 2012 schwere Verluste heraufbeschwor. Die beiden größten Geldhäuser der Insel müssen über drei Milliarden Euro abschreiben, dazu kommen 22 Milliarden an Krediten für Unternehmen und Privatkunden in Griechenland, die nicht mehr zahlungsfähig sind.

Aus der Bankenkrise wurde so in kurzer Zeit eine Fiskalkrise des zypriotischen Staates. Die Finanzmärkte zählten darauf, dass die Regierung in Nikosia die betroffenen Banken zu retten versucht, koste es, was es wolle. Bisher durften – dank deutscher Sturheit – in solcher Lage weder die EZB noch der Euro-Rettungsschirm eingreifen.

Als jedoch Zypern von Russland einen größeren Kredit erhielt – 2,5 Milliarden Euro zum Freundschaftszins von 4,5 Prozent (Moskau hat strategische Interessen bei diesem Partner) – zögerten EU-Kommission und EZB nicht lange. Das Land wurde mit harter Hand unter den Rettungsschirm gezwungen, indem seine Staatsanleihen – anders als bei allen sonstigen Krisenstaaten – nicht mehr als Sicherheiten für EZB-Kredite akzeptiert wurden.

Sloweniens Bankenkrise dagegen hat nichts mit Griechenland zu tun. Wie in Spanien ist eine Immobilienblase geplatzt, die entstanden war, weil es seit dem EU-Beitritt 2004 exzessive Bankkredite für die Baubranche gab. Ab 2008 schlitterte dann von den großen Baufirmen eine nach der anderen in die Pleite. Etwa die Hälfte der Baukredite kann nicht abgelöst werden – das sind gut 20 Prozent der Immobilienkredite überhaupt. Die führenden Banken Sloweniens werden vom Staat kontrolliert, also muss der die Verluste zu einem Großteil auffangen. Eine Abwertung der Bonität der betroffenen Institute durch die Rating-Agenturen ließ nicht auf sich warten. Kaum war sie verkündet, befanden sich die Zinsen für slowenische Staatspapiere schon im Steigflug. Das heißt, zum Bankenretten hat die Regierung schon jetzt so gut wie keinen Spielraum mehr und dürfte bald unter die Fuchtel der Troika geraten. Im Augenblick warten deren Auftraggeber lediglich noch auf den Ausgang der Verhandlungen um Spaniens Bankenrettung.