Währungsunion im Koma

Kolumne von Christa Luft

12.06.2012 / Neues Deutschland am 11.6.2012

Soll die Währungsunion nicht mit unwägbaren politischen Folgen auseinanderbrechen, sind andere Maßnahmen als bisher erforderlich. Der von der deutschen Kanzlerin dik­tierte Fiskalpakt knebelt die Wirtschaft der Krisenländer, die aufgeblasenen Rettungs­schirme schützen deren Banken und Millionäre, nicht die breite Bevölkerung. Die Arbeitslosigkeit steigt rapide, in Spanien bereits offiziell auf über 24 Prozent. In Scharen verlassen Menschen die Heimat, um woanders Arbeit zu suchen.

Griechenlands Austritt aus der Währungsunion scheint nahe. Spanien, die viertgrößte europäische Volkswirtschaft, muß wahrscheinlich unter den Rettungsschirm. Die Risi­koaufschläge für seine Staatsanleihen schnellen hoch. Als sicherer Hafen für Anleger gilt demgegenüber Deutschland. Der Bund kann sich zur Zeit Geld mit mehrjähriger Laufzeit leihen, ohne Zinsen dafür zahlen zu müssen. Das nährt bei den Krisenländern die Erwartung, dass das stärkste Land die erheblichen Ressourcen für die Euro-Rettung aufbringen kann, wenn das historisch beispiellose Projekt vom geeinten Europa gesi­chert werden soll. Eurobonds und Schuldentilgungsfonds sind die Stichworte, auf die die Bundesregierung allerdings (noch) allergisch reagiert.

Auf dem EU-Gipfel im Juni soll es nun um einen „Masterplan für Europa“, eine Vision für den Kontinent und im besonderen für die Euro-Zone gehen. Im Gespräch ist eine Re­form der Sozialsysteme nach dem Vorbild der Schröderschen Agenda 2010 (!). Auf Merkels Drängen soll als „wachstumsfreundlich“ verkauft werden, was in Wahrheit eher den rigiden Sparkurs fortsetzt. Weiter geht es um eine Bankenunion mit gemeinsamer Finanzaufsicht, eine Fiskalunion einschließlich der umstrittenen gemeinsamen Haftung für Staatsschulden sowie eine politische Union.

Beitragen soll der Masterplan, „die Märkte“ zu beruhigen. Damit sind Banken, Börsen, Pensions- und Hedgefonds sowie Großspekulanten gemeint. Die gehören aber nicht „beruhigt“, sondern in ihrer nicht legitimierten Macht gezügelt. Dringlich wären ein ge­setzlicher Rahmen für die Abwicklung von Pleitebanken, die Regulierung der Rohstoff­spekulation sowie der Schattenbanken, die Besteuerung von Finanzgeschäften und eine Abgabe auf Großvermögen.

Auch Millionen Menschen sind Marktteilnehmer, als Verbraucher und als Sparer. Die kommen aber im Masterplan nicht vor. Dabei fürchten viele zu Recht um die Sicherheit ihrer Ersparnisse. Die europaweite Garantie von Einlagen auf Tages-, Festgeld- oder Girokonten ist überfällig.

Eine bizarre Idee für die Euroland-Perspektive stellten kürzlich zwei US-amerikanische Ökonomen vor. Nicht Hellas solle heraus aus dem Euro, sondern Deutschland. Das Problem läge nicht in relativ schwacher Wettbewerbsfähigkeit einiger Krisenländer, sondern in der deutschen Hyperwettbewerbsfähigkeit. Die freiwillige Rückkehr Deutsch­lands zur Mark würde sofort zu deren Aufwertung und einer Abwertung des Euro für die verbleibenden Staaten führen. Deutschland würde dadurch mehr kaufen und weniger verkaufen, im Rest der Euro-Zone wäre es umgekehrt.

Recht haben Prestowitz und Prout damit, dass endlose Sparauflagen für Krisenländer keine Lösung sind, sie verschärfen soziale Unruhen und die politische Polarisierung. Die Risiken ihres Vorschlages lassen sie aber im Dunkeln.