ÖPP stoppen - Rekommunalisierung unterstützen

REDE VON INGRID REMMERS

28.05.2012 / 24.05.2012

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren!

Worüber reden wir hier eigentlich? Eine der Hauptaufgaben des Staates ist es, Infrastruktur für die Bürgerinnen und Bürger bereitzustellen. Jahrelang hat das relativ gut funktioniert. Kommunen, Länder und der Bund bauen und betreiben Schulen, Straßen und vieles andere.
Durch die öffentlich-private Partnerschaft, kurz: ÖPP, wird diese Herangehensweise jedoch infrage gestellt. Weil der Staat Geld sparen und keine neuen Schulden mehr machen wollte, holte man sich einfach private Betreiber an Bord, die die Leistungen gegen regelmäßige Zahlungen, meist Mieten, erbringen sollten. Dumm nur, dass die beteiligten privaten Unternehmen dabei möglichst viel Geld verdienen wollten. Negative Beispiele für misslungene ÖPPs gibt es reihenweise Stichwort: Elbphilharmonie. Immer waren die Kosten höher als geplant und die Leistungen für die Städte nicht zufriedenstellend. So war es bisher zum Beispiel gar nicht möglich wir haben das eben schon von dem Kollegen Groß gehört , die Verträge auch nur einzusehen, um die Ursache für die Kostenexplosion zu ermitteln.
Deswegen fordert die SPD in ihrem vorliegenden Antrag zunächst einmal die vollständige Transparentmachung der Verträge und der Wirtschaftlichkeitsberechnungen schon im Vorfeld. Außerdem soll die Wirtschaftlichkeit von ÖPP-Projekten von einer unabhängigen Stelle evaluiert werden. Nur, das geschah auch bisher, und zwar durch die Landesrechnungshöfe. Diese bemängeln, dass die erwarteten Kosteneinsparungen selten erreicht wurden und die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen häufig auf falschen Annahmen beruhten. Sie kritisieren, dass die langfristigen Zahlungsverpflichtungen der Kommunen gar nicht in den Haushaltsplänen vorkommen und so der demokratischen Kontrolle durch die Haushaltsausschüsse entzogen werden.
(Reinhold Sendker (CDU/CSU): Zyklusbetrachtung!)
Die größte Gefahr besteht jedoch bei dem sogenannten Einredeverzicht. Das heißt, die Kommunen verpflichten sich zu fest vereinbarten Mietzahlungen unter allen Umständen. Das private Unternehmen darf diese Gelder dann als Sicherheit bei der Bank hinterlegen. Gibt es Probleme mit der Bereitstellung der Leistung oder geht das Unternehmen gar pleite, muss die Kommune trotzdem zahlen, nämlich an die Bank. Denn sie hat ja auf ihre Einrede verzichtet und kann daher keine Preisminderung geltend machen.
Niemand hier in diesem Raum käme auf die Idee, einen Handwerker mit der Reparatur seiner Wohnung zu beauftragen und dann einen generellen Verzicht für Mängelansprüche zu erklären. In dem Antrag wird gefordert, erst nach Abnahme der Leistung einen Einredeverzicht zu erklären. Das ist doch Quatsch. Wie soll denn die Haltbarkeit eines Gebäudes oder einer Straße direkt nach der Fertigstellung ermittelt werden? Wenn die Kommune Pech hat, zahlt sie 30 Jahre lang, ohne die dafür vereinbarte Gegenleistung zu erhalten.
(Reinhold Sendker (CDU/CSU): Wie war das beim Flughafen Berlin Brandenburg?)
Zurück zu den hinterlegten Krediten für ÖPP-Projekte. Die Banken bündeln die Kredite in sogenannten Infrastrukturfonds, die natürlich Rendite bringen sollen. Umso geringer die Bau- und Unterhaltungskosten sind, die die privaten Unternehmen aufbringen müssen, umso besser ist es für den Fonds, aber auf Kosten von Löhnen, Qualität und der kommunalen Haushalte. Wieso das ein Fortschritt sein soll, versteht kein Mensch.
(Beifall bei der LINKEN)
Die ÖPP Deutschland AG ist eine von Bund und Privaten betriebene Beratergesellschaft. Die SPD fordert in ihrem Antrag, den Sinn der Beteiligung Privater an der AG zu überprüfen. Das ist auch dringend nötig; denn 43 Prozent der Anteile dieser Beratungsagentur für Kommunen werden von einer Beteiligungsgesellschaft gehalten, die von Banken und großen Baukonzernen dominiert wird. Natürlich erfolgt diese Beratung völlig unvoreingenommen.
Abschließend kann man nur zu einem Fazit kommen: Wenn alle Forderungen des SPD-Antrags auf Schadensersatzforderungen, unabhängige Überprüfung der Verträge, Verhinderung von Lohndumping und Interessenkonflikten umgesetzt werden würden, würde sich keine einzige Firma mehr an ÖPP beteiligen wollen, und das wäre gut so.
Es gibt einen Trost: Die Verantwortlichen in den Kommunen sind in dieser Diskussion schon viel weiter. Privatisierungen in Form von ÖPP kommen nach den negativen Erfahrungen immer mehr aus der Mode. Die Kommunen setzen inzwischen verstärkt auf die Rückgewinnung des Öffentlichen, und das mit Erfolg. Wir fordern deshalb als Linke: Weg von der Lobbyarbeit für ÖPP! Wir brauchen stattdessen eine konsequente Unterstützung der Kommunen bei der Rekommunalisierung.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der LINKEN - Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU): Mit der Idee habt ihr schon die DDR pleite gemacht!)