Pressemitteilung : „Umsetzung von Basel III darf die Kreditversorgung des Mittelstands und der Kommunen nicht gefährden“

Deutscher Städtetag und Deutscher Landkreistag tagten in Brüssel

13.03.2012 / 9.3.2012

Der Deutsche Städtetag und der Deutsche Landkreistag haben die Pläne der EU-Kommission zur Umsetzung der Vorschläge des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht („Basel III“) auf europäischer Ebene kritisiert und Korrekturen in zentralen Punkten angemahnt. „Die jetzt vorliegenden Pläne der Kommission bergen erhebliche Gefahren für die künftige Finanzierung des Mittelstandes, für die Zukunft des Kommunalkredits und für die Tätigkeit der kleineren, regional ausgerichteten Kreditinstitute in Europa. Diese Pläne dürfen so nicht Realität werden“, sagten heute der Präsident des Deutschen Landkreistages, Landrat Hans Jörg Duppré (Südwestpfalz), und die Vizepräsidentin des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeisterin Petra Roth (Frankfurt am Main) im Anschluss an eine gemeinsame Sitzung der Präsidien der beiden Verbände in Brüssel.

Zentraler Kritikpunkt von Städten und Landkreisen ist die Tatsache, dass die EU-Kommission die Empfehlungen des Baseler Ausschusses pauschal auf alle europäischen Kreditinstitute anwenden will und nicht nur auf einen klar definierten, begrenzten Kreis von systemrelevanten, weil international tätigen Großbanken. „Damit schießt die EU-Kommission weit übers Ziel hinaus“, erklärten Duppré und Roth.

Die Finanzmarktkrise habe deutlich gezeigt, dass Reformen des Finanzsystems im Bereich der international agierenden Großbanken und vor allem mit Blick auf die strukturierten Produkte dringend erforderlich seien. Für regional tätige kleinere und mittlere Finanzinstitute mit ihrem Schwerpunkt auf der kreditwirtschaftlichen Versorgung der Bevölkerung, der Kommunen und der Wirtschaft vor Ort seien die jetzt diskutierten Standards aber weder erforderlich noch sinnvoll. Im Gegenteil: Eine undifferenzierte Anwendung von Basel III auf alle Kreditinstitute könnte sogar gravierende negative Folgen für den Mittelstand und die Kommunen haben, sagten Duppré und Roth.

Es drohe ernsthaft die Gefahr, dass bei einer undifferenzierten Umsetzung der Eigenkapitalanforderungen und Kennzahlen für alle Institute gerade in jenen Bereichen Kreditklemmen ausgelöst werden könnten, die für die Realwirtschaft und für die Zukunftsfähigkeit ganzer Regionen von besonderer Bedeutung seien: beim Mittelstand als Rückgrat der deutschen Wirtschaft und bei den Kommunen, die in Deutschland rund 60 Prozent der öffentlichen Sachinvestitionen aufbringen und damit ein wichtiger Auftraggeber der Wirtschaft sind.

Insbesondere die bislang vorgesehene Unterlegung der bei Regionalverbänden der Sparkassen und Volksbanken gehaltenen Beteiligungen durch Eigenkapital werde zu einer Einschränkung des Kreditspielräume allein der Sparkassen in Höhe von mindestens 100 Milliarden Euro führen. Bei einem derzeitigen Kreditvolumen von 673 Milliarden Euro bedeute dies eine Minderung um mindestens 15 Prozent. Dies werde die lokale Wirtschaft und auch die Kommunen empfindlich treffen.

„Das Europäische Parlament und der Europäische Rat müssen sich im weiteren Gesetzgebungsverfahren für eine Umsetzung von Basel III mit Augenmaß einsetzen, die den unterschiedlichen Gegebenheiten in den Mitgliedsstaaten Rechnung trägt“ , so Duppré und Roth weiter. Der Deutsche Städtetag und der Deutsche Landkreistag erinnerten daran, dass sich in der jüngeren Vergangenheit gerade die kommunalen Sparkassen und die Genossenschaftsbanken aufgrund ihres Geschäftsmodells als wichtige Stabilitätsfaktoren im deutschen Finanzsystem erwiesen hätten. Im Einzelnen forderten der Deutsche Städtetag und der Deutsche Landkreistag folgende Korrekturen an den Plänen der Kommission:

- Die Umsetzung von Basel III muss sich auf die international tätigen Großbanken beschränken, für die das Regelwerk im Baseler Ausschuss geschaffen worden ist. Um nationalen Besonderheiten im Kreditsektor gerecht werden zu können, sollten bankenaufsichtliche Standards für kleinere Institute nach wie vor von den nationalen Aufsichtsbehören erlassen werden.

- Die erhöhten Eigenkapitalanforderungen stellen eine große Herausforderung für alle Kreditinstitute dar. Die derzeit vorgesehene Regelung, dass direkte oder indirekte Finanzbeteiligungen an Instituten vom harten Kernkapital abgezogen werden müssen, benachteiligt in ungerechtfertigter Weise Finanzverbünde wie die Sparkassen- Finanzgruppe oder auch Genossenschaftsbanken.

- Das Risikogewicht und die erforderliche Eigenkapitalunterlegung von Mittelstandskrediten müssen an das tatsächliche Risiko angepasst und abgesenkt werden. Damit könnten ungerechtfertigte negative Wirkungen von Basel III auf die Mittelstandsfinanzierung vermieden werden.

- Das Risikogewicht von Direktausleihungen der Kreditinstitute an Kommunen (Kommunalkredit) muss sich auch in Zukunft an der Bonität des Zentralstaates orientieren können. Für die Bundesrepublik Deutschland bedeutet das aufgrund des gesamtstaatlichen Haftungsverbundes aus Bund, Ländern und Kommunen eine Beibehaltung der Null-Risiko-Gewichtung.

- Bei der Festsetzung und Wertung von Verschuldungs-Obergrenzen von Kreditinstituten („Leverage Ratio“) sollten mit einem Null-Risiko gewichtete Kredite nicht berücksichtigt werden. Nur so kann verhindert werden, dass risikolose, aber margenarme Ausleihungen an Kommunen durch renditestärkere, aber riskantere Kreditgeschäfte ersetzt werden und es dadurch zu einer Beeinträchtigung der Kommunalfinanzierung kommt.

Kontakt
Deutscher Städtetag: Volker Bästlein, Pressesprecher, Tel.: 030 37711-130
Deutscher Landkreistag: Dr. Markus Mempel, Pressesprecher, Tel.: 030 590097-312