»Spekulative Finanzprodukte gehören verboten«

Banken in Frankfurt/Main und das Berliner Regierungsviertel sollen am 12. November umzingelt werden. Gespräch mit Christoph Bautz

07.11.2011 / Interview: Gitta Düperthal, junge Welt

Christoph Bautz ist Geschäftsführer des Vereins Campact, der im Internet Kampagnen organisiert, damit sich mehr Menschen in aktuelle politische Entscheidungen einmischen können

Die »Occupy«-Bewegung hat den Antibankenprotest begonnen, auch am Samstag demonstrierten wieder fast 2000 Menschen in Frankfurt am Main. Jetzt ruft Campact unter dem Motto »Banken in die Schranken« dazu auf, am kommenden Samstag erneut die Banken in Frankfurt am Main sowie das Berliner Regierungsviertel zu umzingeln. Was fordern Sie konkret?

Die »Occupy«-Bewegung hat eine enorme Dynamik ausgelöst und politischen Druck entwickelt, damit sich Grundlegendes in der Finanzpolitik ändert. Wir fordern die Bundesregierung auf, die Banken stärker zu regulieren. Riskantes Investmentbanking muß komplett vom normalen Bankgeschäft getrennt werden. Undurchsichtige, spekulative Finanzprodukte gehören verboten. Spekulation mit Agrarrohstoffen darf nicht länger den Hunger in der Welt verschärfen. Die Finanztransaktionssteuer muß endlich eingeführt werden. Wenn die Banken demnächst wieder mit Milliardenbeträgen gerettet werden sollen, müssen deren Gläubiger, die von der Rettung profitieren, durch einen Schuldenschnitt beteiligt werden. Mit diesen Forderungen stellen wir uns der »Occupy«-Bewegung zur Seite. Letztere hat sich aber im Gegensatz zu uns ganz bewußt darauf geeinigt, das Finanzsystem und dessen fatale Auswirkungen für die Gesellschaft grundsätzlich zu kritisieren – ohne konkrete Änderungsvorschläge.

Was muß die Bundesregierung aus Ihrer Sicht zuerst ändern?

Keine Bank darf so groß sein, daß sie »too big to fail« ist. Die Banken müssen gesundgeschrumpft werden, damit durch das Scheitern einer Bank nicht gleich das ganze Finanzsystem zusammenbricht. Sie dürfen nicht so machtvoll werden, daß sie die Regierung unter Druck setzen und die Demokratie untergraben können.

Was unterscheidet die »Occupy«-Bewegung und die von Ihnen ins Leben gerufene Kampagne?

Die »Occupy«-Bewegung ist basisdemokratisch organisiert und hat sich entschieden, keine Sprecher zu haben. Es sind viele Leute dabei, die zuvor nie politisch gearbeitet haben. Mit uns wird jetzt eine zweite Säule hinzukommen. Unser Bündnis, an dem sich verschiedene Organisationen beteiligen, wird die wertvolle Arbeit der »Occupy«-Bewegung ergänzen. Initiatoren der beiden Großaktionen am kommenden Samstag in Frankfurt am Main und Berlin sind das globalisierungskritische Netzwerk ATTAC, unser Kampagnennetzwerk Campact und die Naturfreunde Deutschlands. Mit dabei sind auch die Katholische Arbeitnehmerbewegung, Terres des Hommes Deutschland, die Grüne Jugend, die Linksjugend und der DGB in der Region Frankfurt-Rhein-Main. Wir wollen weitere gesellschaftliche Akteure hinzugewinnen, um unsere Forderungen machtvoll durchzusetzen und die Finanzmärkte zu entwaffnen.

Warum haben Sie sich für ein »demokratisches Mikrofon« bei den Kundgebungen entschieden?

Wir wollen Sprecher der Organisationen zu Wort kommen lassen, aber auch die Basis. Wir werden im Internet entscheiden lassen, welche 20 Menschen am kommenden Samstag mit ihren Forderungen in Berlin und Frankfurt zu hören sein werden. Zu diesem Zweck werden wir 90-Sekunden-Beiträge zur Auswahl auf Youtube stellen.

Seit dem 15. Oktober campen Teilnehmer der »Occupy«-Bewegung vor der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main. Freuen die sich auf die Verstärkung am Samstag?

Ja, sie haben positiv aufgenommen, daß wir kommen und die Banken umzingeln. Einige von uns gehen zu den Versammlungen der »Occupy«-Bewegung, die nach dem Vorbild der spanischen Asamblea auch vor der EZB abgehalten werden, um uns auszutauschen. Dort wird mitunter die Kultur des »open mic« praktiziert. Die ist in New York entstanden, als dort keine Verstärker und Lautsprecheranlagen erlaubt waren: Einer sagt etwas, alle wiederholen es gemeinsam, damit jeder alles verstehen kann.

Sie kündigen auf Ihrem Internetportal an, daß viele tausend kommen werden – warum sind Sie so optimistisch?

Wir rühren die Werbetrommel, verteilen Flyer und kleben Plakate. Außerdem sind viele enttäuscht, daß die Regierenden der Industrie- und Schwellenländer beim G-20-Treffen in Cannes nur unverbindliche Absichtserklärungen abgegeben haben.


  • Demonstration und Menschenkette in Frankfurt/Main und Berlin, 12. November, jeweils um 12.30 Uhr am Hauptbahnhof
  • www.campact.de
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