Eurobonds: Auf dem Weg in eine Währungs- plus Fiskalunion

Von Rudolf Hickel, Forschungsleiter am Institut Arbeit und Wirtschaft Bremen

19.08.2011 / Bremen, Mitte August 2011

Die Einführung von Eurobonds ist in der Politik sowie der Wirtschaftswissenschaft heftig umstritten. Die Bandbreite der Bewertung reicht vom Befreiungsschlag bis zum Teufels­zeug, ja einem „Zinssozialismus“. Dagegen sehen die Pragmatiker in den Eurobonds im Vergleich mit den zuletzt immer wieder erweiterten Rettungsschirmen einen Beitrag unter vielen zur Stärkung des Eurolandes durch einen Einstieg in die Fiskalunion. Wegen der Kontroverse besteht dringender Aufklärungsbedarf auch gegenüber hartnäckigen Vorurtei­len.

Eurobonds sind Anleihen, die Mitgliedsländer in der Europäischen Währungsunion zur Fi­nanzierung ihres staatlichen Haushalts einsetzen. Die Garantie für diese Bonds übernimmt die Gesamtheit der Euroländer. Durch die Gesamthaftung werden die Zinszahlungen an die Gläubiger sowie nach Ablauf der Laufzeit die Tilgung finanziell sicher gestellt. Damit wird das derzeitige Prinzip, die Hilfen zur Staatsschuldenfinanzierung durch den Rettungsfonds (EFSF) in zahlungsunfähige Staaten wie Griechenland nationalstaatlich abzuwickeln, auf­gehoben.

Im Streit um dieses Instrument zur Vergemeinschaftung der öffentlichen Kreditfinanzierung schafft eine Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile Orientierung: Der wichtigste Vorteil wird in der Übernahme der Verantwortung des gesamten Eurolands für die Staatsverschuldung vor allem in den zahlungsunfähigen Krisenländern gesehen. Das Zinsgefälle zwischen bestens und schlecht bewerteten Mitgliedsländern wird abgebaut. Damit lassen sich aus den Zinsdifferenzen keine Spekulationsgewinne zu Lasten hoch ver­schuldeter Staaten mehr erzielen. Ein wichtiger Vorteil: Die Nachfrage nach Eurobonds auch als Anlagewährung gegenüber den US-Staatsanleihen auf den internationalen Kapi­talmärkten wird groß sein. Beispielsweise wären die Eurobonds für die chinesische Noten­bank als Anlageprodukte wichtig. Schließlich lassen sich durch eine einheitliche Ausrichtung der Nutzung von Staatsanleihen die heutigen Hilfen durch Rettungsschirme abbauen.

Im Katalog der diskutierten Nachteile stehen zwei Kritikpunkte ganz oben. Kritisiert wird die Höhe der Zinssätze für die Eurobonds. Diese repräsentieren einen Durchschnitt aus Län­dern mit niedrigen Zinsen (Bestnote bei den Ratingagenturen) gegenüber den Krisenlän­dern (Ramschstatus beim Rating) mit hohen Kosten der Kreditfinanzierung. Deutschland würde zu den Verlierern gehören. In einer Modellrechnung auf der Datenbasis von Anfang August werden für Deutschland der Zinsaufschlag mit 2,3% und die dadurch entstehenden Mehrausgaben auf 43 Mrd. ¤ geschätzt. Dies ist jedoch das Ergebnis einer statischen Rechnung. Die Möglichkeit, dass weltweit akzeptierte Bonds gegenüber der mechanisti­schen Durchschnittsbildung wegen deren Attraktivität mit niedrigeren Zinssätzen zu verkau­fen sind, wird übersehen.

Eine weitere Kritik konzentriert sich auf die Gefahr, durch die Übernahme der Haftung für Eurobonds würden die Krisenländer zu einer unverantwortlichen, verschwenderischen Poli­tik mit ihren öffentlichen Haushalten animiert. Ein Anreiz zum „Moral hazard“, einem morali­schen Fehlverhalten, wird erwartet. Diese Befürchtung wird beispielsweise durch Griechen­land widerlegt. Soeben hat die OECD die Einsparanstrengungen gelobt und deren man­gelnde Wahrnehmung auch in Deutschland kritisiert. Allerdings muss das Instrument Euro­bonds in eine verbindliche Strategie der öffentlichen Haushaltssanierung eingebunden wer­den.

Hierzu gehört auch eine klare Begrenzung des Einsatzes von Eurobonds zur Kreditfinanzie­rung in den Mitgliedsstaaten. Jacques Delpla und Jakob von Weizsäcker haben vorschla­gen, die durch die Euroländer garantierten Eurobonds entsprechend der geltenden Schul­denstand-Regel auf 60% des Bruttoinlandsprodukts zu begrenzen. Gegenüber diesen „Blue Bonds“ werden darüber hinausgehende „Red Bonds“ nur durch das jeweilige Land verant­wortet.

Über die Institution, die dieses Schuldenmanagement übernimmt, sollte umgehend Klarheit geschaffen werden. Diskutiert wird eine Euro-Schuldenagentur, die mit dem zu schaffenden Europäischen Währungsfonds (EWF) verknüpft werden sollte.

Gegen die Einführung von Eurobonds steht die weit verbreitete Sorge, dadurch würde das Euroland endgültig zu einer Haftungsunion. Diese Kritik übersieht, dass bereits Transferleis­tungen zur Stabilisierung des Eurolandes eingesetzt werden: Aus dem Gemeinschafts­haushalt der EU wird eine Hilfe von 60 Mrd. ¤ für Krisenländer zur Verfügung gestellt. Der Rettungsfonds EFSF gibt an die Krisenländer Griechenland, Irland und Portugal Kredite, für die der Euroclub haftet. Schließlich sind durch Verzichte der Gläubiger im Rahmen des Um­tauschs bisheriger Anleihen praktisch Eurobonds durch die Hintertür bereits eingeführt wor­den. Tauscht beispielsweise die Commerzbank oder die AllianzAG griechische Anleihen mit einem Abschlag von 20% auf den Nominalwert, dann werden dafür mit bester Note bewer­tete Wertpapiere, für die der Euroclub haftet, ausgegeben. Es geht also nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie einer Haftungs- und Verantwortungsunion. Dabei wird mit den Eurobonds nur ein streng zu regelndes Instrument diskutiert. Die Eurobonds stellen derzeit eine allerdings wichtige Chiffre für den Willen zum Ausbau der Währungs- und Wirtschafts­union dar.