Die Ergebnisse sind ernst zu nehmen.

Aktuelle Stunde des Abgeordnetenhauses von Berlin am 17. Februar zum Erfolg des Volksentscheids über die Offenlegung der BWB-Teilprivatisierungsverträge mit RWE und Veolia

22.02.2011

Rede von Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Linke hat direkte Demokratie immer gewollt.

[Gelächter bei der CDU]

Jetzt liegen die Ergebnisse vor, und diese Ergebnisse sind ernst zu nehmen.

[Benedikt Lux (Grüne): Er trägt ja schon schwarz!]

Jenseits der Interpretationen über Sieg und Niederlage, über angeblichen Rückenwind oder angebliche Klatsche für den Senat: Die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe von 1999, die Vertraulichkeit der Verträge, die Renditegarantien, die Wasserpreisentwicklung, das alles sind zentrale Themen in dieser Stadt und zentrale Themen, die jetzt auf der Tagesordnung stehen.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Meine Partei hat sich mit diesen Fragen immer beschäftigt. „Die Koalition setzt sich für eine Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe ein“, so heißt es in der Koalitionsvereinbarung vom 20. November 2006. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass dieser Satz seinerzeit belächelt worden ist, abgetan, als folgenloses ideologisches Bekenntnis bezeichnet worden ist, und zwar im ganzen Rund außerhalb von SPD und Linke, sogar bei Teilen der SPD. Fünf Jahre später sind wir an dem Punkt, an dem die Frage sehr real geworden ist. Jetzt hat sich der Wind gedreht, und dass das der Fall ist, hat auch damit zu tun, dass es in der Stadt eine Bewegung gegeben hat, die nicht lockerließ. Es hat immer wieder Meinungsverschiedenheiten meiner Partei mit dem „Wassertisch“ gegeben, nicht in der Frage des Ziels, sondern über den Weg. Diese Differenzen haben sich auch in unserer Haltung zum Volksbegehren und zum Volksentscheid manifestiert. Manchmal haben wir uns als Linke vielleicht auch ein wenig in diesen Differenzen verzettelt.

Wo sich jetzt alle Beteiligten feiern,

[Joachim Esser (Grüne): Wenn es mal alle
gewesen wären!]

gestehe ich gern noch einmal ein: Die Partei DIE LINKE hat nicht zu diesem Entscheid mobilisiert, auch weil wir davon ausgegangen sind, dass mit der Offenlegung der Verträge dieser Volksentscheid de facto gegenstandslos geworden sei. Ich erinnere mich daran: Alle anderen hier im Haus haben das auch nicht, Herr Esser, aus welchen Gründen auch immer, von Frau Kosche abgesehen. Von Heidi Kosche abgesehen, haben sich alle in diesem Haus nicht anders verhalten.

[Beifall bei der Linksfraktion –
Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Diese Mobilisierung ist kein Ergebnis von Ihnen, Herr Henkel, Frau Pop, Herr Meyer! Dieses Ergebnis war eine Mobilisierung von unten, eine reale Initiative von unten. 665 000 Berlinerinnen und Berliner haben die Dinge anders gesehen als wir. Sie wollten auf Nummer sicher gehen. Sie wollten deutlich machen: Transparenz und öffentliche Kontrolle sind uns wichtig. An unserem Gut Wasser soll nicht verdient werden. – Das neue Gesetz ist das Ergebnis einer klaren politischen Willensbekundung, und der haben wir jetzt gerecht zu werden.

Es ist kein Umgang mit diesem Ergebnis direkter Demokratie, sich jetzt plötzlich als Sieger zu präsentieren, quasi als Trittbrettfahrer auf den Zug aufspringen zu wollen, nachdem er am Sonntag in den Zielbahnhof eingefahren ist.

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Schauen wir uns die ersten Reaktionen dann, dann zeigt sich: Insbesondere CDU und Grüne starten den Versuch, aus diesem Ergebnis politisches Kapital für die jeweils eigene Klientel und die eigenen Interessen zu schlagen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Henkel erzählt, was er immer erzählt hat: Das Land soll zugunsten der privaten Anteilseigner verzichten. – Das ist der Geist, Herr Henkel, das ist die Logik der Verträge, die 1999 hinter dem Rücken der Berlinerinnen und Berliner geschlossen worden sind. § 23 Abs. 7 des Konsortialvertrags sagt: Gewinne werden garantiert. Notfalls verzichtet das Land, notfalls zahlen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Das einzufordern, rennen Sie jetzt durch die Welt und verkünden, mit Ihnen würden die Wasserpreise sinken. Ich halte das für skandalös, Herr Henkel.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Einen ähnlichen Ton hat Frau Pop in ihrer ersten Reaktion angeschlagen: „Der Senat wirtschaftet sich die Gewinne in die eigene Tasche.“ Frau Pop, Herr Henkel! Das ist nicht die Tasche des Senats. Das sind die existenziellen öffentlichen Leistungen. Es ist die Daseinsvorsorge für die Berlinerinnen und Berliner, die zurückgefahren werden müsste, damit die Gewinnansprüche von RWE und Veolia subventioniert werden können. Das wollen Sie? – Das wollen Sie allen Ernstes! Herr Henkel, Frau Pop! Das war aber nicht Gegenstand des Volksentscheids, das war nicht beantragt, und darüber ist am vergangenen Sonntag nicht abgestimmt worden. Herr Henkel! Wie kommen Sie eigentlich darauf, dass die 665 000 Menschen ausgerechnet Ihnen vertrauen würden? – Denken Sie darüber mal nach!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Wir Berlinerinnen und Berliner wollen unser Wasser zurück, Private sollen an unserem Wasser nicht verdienen – das war das Motto, unter dem die Initiatoren des „Wassertischs“ mobilisiert haben. Transparenz, das war die Forderung, öffentliche Kontrolle und Beteiligung, das war das Anliegen des Volksentscheids.

Erstmalig hatte in Berlin ein Volksentscheid Erfolg. Den Buchstaben des Gesetzes, das am Wochenende beschlossen worden ist, mag der Senat mit der Veröffentlichung der Verträge im November vergangenen Jahres Genüge getan haben. Den Berlinerinnen und Berlinern hat dieses Maß an Transparenz nicht gereicht, und deshalb ist es richtig, dass der Senat nun eine unabhängige Prüfung aller Unterlagen über die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe in die Wege leiten wird, und ich sage: alle Unterlagen!, und dass er darüber hinaus bereit ist, weiterzugehen, selbst weiter als das neue Gesetz es fordert.

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Dabei darf der „Wassertisch“ nicht Zaungast sein, es muss das Gespräch gesucht werden, man muss sich darüber verständigen, welche Persönlichkeiten das sein könnten, ob Edda Seifert von Transparency oder der Verfassungsexperte Bernhard Schlink oder andere Persönlichkeiten. Ich wünsche mir umgekehrt aber auch, dass der „Wassertisch“ diesen Diskurs mit uns tatsächlich sucht. Herr Roloff sitzt beispielsweise auf der Tribüne – nehmen Sie das mit!

[Zuruf von Michael Schäfer (Grüne)]

Das alles muss unverzüglich geschehen, es darf nicht der Eindruck erweckt werden, hier solle irgendwer hingehalten werden.

Dabei wollen wir aber nicht stehenbleiben. Wir wollen die öffentliche Kontrolle über die Berliner Wasserbetriebe verstärken, wir wollen eine Neuverhandlung der Skandalverträge, wir wollen – wenn möglich – die Anteile der privaten Investoren zurückgewinnen. Dafür sind erste Schritte eingeleitet. RWE hat seine Bereitschaft zu Rückkaufverhandlungen bekundet, Veolia möchte eine „Modernisierung der Verträge“, was auch immer das heißt, da muss dann mal Butter bei die Fische. Immerhin aber bietet sich die Chance, die 1999er Fehlentscheidung zumindest teilweise zu korrigieren.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Der Senat hat die Aufgabe, das anzugehen, und das wird anders aussehen als 1999, Herr Henkel, das kann ich Ihnen versprechen. Nun glaube ich kaum, dass RWE bereit ist, diese Verhandlungen unter Videoübertragung oder Live-Stream zu führen – wer so etwas fordert, liebe Grünen, will offenbar, dass sie nicht stattfinden oder scheitern.

[Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und der FDP]

Aber selbstverständlich werden die Ergebnisse solcher Verhandlungen transparent und öffentlich sein müssen, sie werden einer offenen Debatte standhalten müssen – hier im Hause und unter den ganz sicher äußerst kritischen Augen und Interventionen der Öffentlichkeit. Wir werden zu entscheiden haben, ob unter den dann ausgehandelten Bedingungen ein Rückkauf der Anteile akzeptabel oder nicht, ob er finanzierbar oder nicht, ob er tatsächlich eine Entlastung der Berlinerinnen und Berliner ist oder nicht. Entscheidend wird sein, dass hier tatsächlich ein neuer Stil Einzug hält, und dieser Stil wird nicht nur für Berlin, sondern bundesweit beispielgebend sein. Das werden harte Verhandlungen werden, Berlin wird nichts geschenkt bekommen, wir jedenfalls sind nicht bereit, für Erfolgsmeldungen einen politischen Preis zu zahlen!

Wenn der „Wassertisch“ und die Grünen sagen, setzt doch die Verhandlungen erst einmal aus – die Hoffnung, dass die Verträge nichtig sein könnten, ist bislang durch niemanden belegt, dass uns die Anteile quasi für lau zufallen werden, weil die Vertragsgrundlage nicht trägt, scheint mir abwegig zu sein. Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren, aber eines steht fest: Seit 1999 hatte jedes Mitglied dieses Hauses die Möglichkeit, die Verträge zu prüfen. Auch aus der Anwaltspartei Die Grünen ist mir bisher keine Argumentation untergekommen, die die Nichtigkeit dieser Verträge bestätigt. Ich kenne keine parlamentarische oder juristische Initiative aus diesem Haus, die darauf abzielte, die Verträge oder auch nur Teile davon für nichtig zu erklären. Auch wenn die Initiatoren des Volksentscheids eine solche Prüfung und auch eine Klage in Aussicht gestellt haben – bisher ist die Aussicht, sie auf diesem Weg aus der Welt zu schaffen, mehr als vage und inhaltlich nicht untersetzt.

Aber vielleicht ist es ja eine Option, eine Art Besserungsschein in die Rückkaufsverträge mit RWE einzufügen, also Eventualitäten, die heute nicht vorhersehbar sind, zu berücksichtigen, den Ausgang des Kartellverfahrens, meinethalben auch eine nachträgliche Feststellung ihrer Nichtigkeit oder was auch immer. Das muss man ernsthaft in Betracht ziehen, wir sollten uns da absichern.

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Jetzt auf die Verhandlungen zu verzichten, lieber Herr Esser, wäre sträflich und würde bedeuten, eine große Chance zu verpassen.

[Joachim Esser (Grüne): Ich würde eure politische
Verfassung auch ausnutzen!]

Wer brüllt, hat nicht immer Recht, Herr Esser!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Ich finde es aber auch richtig, darüber hinaus zu denken. Harald Wolfs Initiative für eine Gesetzes- oder gar Verfassungsänderung, die Privatisierungen einem Volksentscheid unterwirft, finde ich richtig. Ich kann Ihnen versichern, dass wir weitere Vorschläge erarbeiten werden, die auf eine nicht nur formale, sondern auf eine tatsächliche Beteiligung der Berlinerinnen und Berliner an der Kontrolle und Steuerung der wichtigen öffentlichen Unternehmen ausgerichtet sein werden.

Bei der Bürgerentscheidung von vergangenem Sonntag haben wir es mit einer völlig neuen Herausforderung für unser Parlament und für die politischen Parteien zu tun. Wer diese Entscheidung nur instrumentalisieren will, hat wenig begriffen. Die Berlinerinnen und Berliner werden sehr genau hinschauen, wie wir, wie Sie, damit umgehen, und sie werden es registrieren, wenn der Versuch unternommen wird, damit nur das eigene Süppchen zu kochen, das kann ich Ihnen versichern.

Wenn Frau Kubala durch die Personalversammlung der Wasserbetriebe rennt und sagt, die Rekommunalisierung ist Zeug, das kann man alles gesetzlich regeln, und wenn auch die Grünen sich bisher zu der Übernahme des Wassertischgesetzentwurfs in diesem Haus nicht bereit gefunden haben und damals sagten, wir können doch nicht ernsthaft ein verfassungswidriges Gesetz durchgehen lassen, wenn die Transparenzforderung pure Heuchelei ist, weil sie bei der BIH plötzlich nicht gilt, und wenn Sie noch nicht einmal in der Lage sind, auf Ihren dringlichen Antrag die Fußnote zu schreiben, von wem Sie ihn geklaut haben, in einem gnadenlosen Opportunismus und in einer gnadenlosen Spielerei, die Ihnen eigentlich durchaus die Schamesröte ins Gesicht treiben sollte, dann ist hier noch viel zu tun.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD –
Michael Schäfer (Grüne): Ist doch keine Doktorarbeit!]

Auf den 120 Seiten Wahlprogrammentwurf der Grünen findet sich nicht einmal das Wort Berliner Wasserbetriebe.

[Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Ach!]

Vielleicht ändert sich das ja noch, aber Ihre Haltung, meine lieben Grünen, die Sie zu den Berliner Wasserbetrieben eingenommen haben, die haben Sie bisher der Öffentlichkeit noch nicht mitgeteilt, aber die Öffentlichkeit wird sie interessieren. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]