Zum Film „Die Akte Gysi“

Von Dr. Gregor Gysi, Berlin,d. 25. Januar 2011

31.01.2011

Die Autoren des Films beweisen ebenso wie Herr Knabe u. a. eine blanke Unkenntnis von der DDR, der SED und der Staatssicherheit, von mir ohnehin.

Es wird in dem Film auch nicht klar, ob sie meinen, dass die DDR ein Rechtsstaat ge­wesen sei, in dem sich ein Rechtsanwalt eben auch so zu verhalten gehabt hätte, oder ob ihnen doch zur Kenntnis gelangt ist, dass die DDR eine Diktatur war, die mithin auch für das Wirken eines Rechtsanwalts – zumindest in bestimmten Fällen – besondere Be­dingungen schuf. Dazu habe ich meinem Interview mit Heribert Prantl und Franziska Augstein in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 26. Juni 2008 (http://www.sueddeutsche.de/politik/2.220/stasi-vorwuerfe-gegen-gregor-gysi-ich-war­anwalt-frech-und-ging-an-die-grenzen-1.212955) bereits ausführlich Stellung genom­men.

Die Autoren haben nicht im geringsten Maße eine faire Recherche angestellt und nicht nur einseitig, sondern auch falsch berichtet.

Zunächst ist bemerkenswert, dass den Autoren laut Darstellung die Vorlaufakte der Staatssicherheit vorlag, die die Prüfung widerspiegelte, ob ich für die Staatssicherheit als inoffizieller Mitarbeiter geeignet sei oder nicht. Weder wird gesagt, von wann bis wann der Vorlauf lief noch wird den Fernsehzuschauerinnen und Fernsehzuschauern mitgeteilt, dass der Vorlauf mit dem Beschluss endete, dass ich als IM ungeeignet sei. Die Vorlaufakte wurde nach diesem Beschluss archiviert. Ein Anwerbungsversuch hatte deshalb niemals stattgefunden. Natürlich verheimlichen die Autoren auch, dass einen Tag nach Schließung der Vorlaufakte mit einer umfassenden Begründung gegen mich eine operative Personenkontrolle eingeleitet wurde, und zwar 1984. Natürlich wird auch Frau Birthler nicht danach gefragt, weshalb meine IM-Vorlaufakte mit dem Beschluss endete, dass ich als IM ungeeignet sei und weshalb gegen mich eine operative Perso­nenkontrolle eröffnet wurde. Die Fernsehzuschauerinnen und Fernsehzuschauer sollen davon nichts wissen. Die Autoren erkennen folgende Schwierigkeit. Wenn ich wirklich Informant der Staatssicherheit gewesen wäre, weshalb sollte sie mich nicht entspre­chend geführt haben? Sie hatte berühmtere Leute so geführt. Und warum sollte die Staatssicherheit gegen mich eine operative Personenkontrolle einleiten, wenn ich in Wirklichkeit mit ihr zusammenarbeitete? Es gab keinen Grund, dass sich die Staatssi­cherheitsleute diesbezüglich untereinander belogen. Diese gesicherten Dokumente passen weder Frau Birthler noch Herrn Knabe noch den Autoren oder anderen in den Kram. Deshalb werden sie ausgelassen. Es gibt eine ganze Passage, in der sich Frau Birthler damit beschäftigt, dass die fehlende Verpflichtungserklärung in meinem Fall nichts aussage. Schon früher wurde erklärt, dass es auch mündliche Verpflichtungen gegeben habe, die dann allerdings protokolliert worden seien. Abgesehen davon, dass es auch über eine mündliche Verpflichtung kein Protokoll gibt, ist aber entscheidend, dass meine Vorlaufakte und die operative Personenkontrolle ohnehin das Gegenteil beweisen. Es ist eine durchsichtige Methode, sich einen Umstand – die mangelnde Verpflichtungserklärung – herauszusuchen, dagegen zu argumentieren, die entschei­denden Unterlagen und Argumente aber nicht zu benennen und mithin auch nicht mit ihnen umzugehen.

Eine andere Methode der Autoren besteht darin, dass sie mir Verteidigungsargumente unterstellen, die ich nicht oder nur als eine Variante benutzt habe und sie dann von Be­troffenen oder dem kenntnisfreien Herrn Knabe scheinbar widerlegen lassen.

Ferner wird in dem Film extrem deutlich, dass nicht ein einziger Umstand dergestalt recherchiert wurde, was ich für meine Mandanten tat, was ich für sie erreichte. Das hat die Autoren überhaupt nicht interessiert, weil sie ein völlig anderes Bild zeichnen woll­ten.

Bei Vera Lengsfeld wird behauptet, dass ich nicht bereit gewesen wäre, zu ihren Aus­sagen Stellung zu nehmen. Am Schluss wird ebenfalls behauptet, dass ich nicht bereit gewesen wäre, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Dabei wird aus dem Brief eines Mitarbeiters von mir zitiert. Auch das ist eine unwahre Darstellung. Denn die Autoren verschweigen, dass sie sich nur einmal schriftlich an mich wandten, und ankündigten, ein politisches Portrait von mir zeichnen zu wollen, wobei es in dem Interview überwie­gend um meine Einschätzung der Tätigkeit der Birthler-Behörde ginge. Der Film solle anlässlich des 20. Jahrestages der Herstellung der Deutschen Einheit ausgestrahlt werden. Nicht nur der Zeitpunkt und Anlass stimmten nicht, sondern mit keinem Wort war davon die Rede, dass es um die Frage einer eventuellen Zusammenarbeit von mir mit der Staatssicherheit oder um bestimmte konkrete Vorwürfe ginge. Zur Tätigkeit der Birthler-Behörde hatte ich mich gelegentlich und kurz geäußert. Für mich war überhaupt nicht nachvollziehbar, was ich eine Stunde zur Tätigkeit dieser Behörde erzählen sollte. Nur deshalb erfolgte eine Ablehnung. Ich kann es nicht anders bezeichnen, auch hier werden die Fernsehzuschauerinnen und Fernsehzuschauer getäuscht. Das Schreiben der Autoren an mich füge ich als Anlage bei.

Im Einzelnen:

Zunächst wird der Fall Rudolf Bahro behandelt. Rudolf Bahro hat auch nach dem Studi­um seiner Staatssicherheitsakten immer wieder erklärt, dass er mit meiner anwaltlichen Tätigkeit sehr zufrieden war und sein Vertrauen in mir bestätigt sah. Ohne jede Grund­lage wird aber behauptet, dass Rudolf Bahro bereits Erfahrungen mit mir als einen An­walt hatte, der keiner war. Falsch ist auch die Behauptung, dass er ausreisen musste. Ich weiß es einfach besser. Er hatte sich dazu entschieden.

Diffamierend ist die Behauptung, dass ich im Fall Bahro als Erfüllungsgehilfe von SED und Stasi tätig gewesen wäre. Entgegen einer weiteren Behauptung fanden auch keine Gespräche mit Mitarbeitern der Staatssicherheit in meiner Wohnung statt. Dazu wurde schon mehrfach vor Gericht Stellung genommen und belegt, dass dies in den Vermer­ken auch gar nicht behauptet wird. Es stimmt, dass mich auch vertrauliche Nachrichten von Rudolf Bahro erreichten. Z. B. gab er mir sein Testament, das ich nicht in meiner Anwaltspraxis, sondern an einem anderen Ort aufbewahrte. Niemand hat von mir davon erfahren. Als ich im ZK danach gefragt wurde, habe ich es geleugnet, wie es sich aus einem Vermerk ergibt. Ich wusste, welche Nachteile damit verbunden gewesen wären, wenn die Verantwortlichen aufgrund eines Testaments befürchtetet hätten, dass Rudolf Bahro mit dem Gedanken spielt, sich das Leben zu nehmen. Seine Kontrollen wären unerträglich geworden. Aber das interessiert die Autoren selbstverständlich nicht. Das gilt auch für weitere Umstände. So wird z. B. erwähnt, dass Rudolf Bahro zwei Jahre im Gefängnis saß. Nicht erwähnt wird, dass er zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt worden war. Ferner wird nicht erwähnt, dass eine Strafaussetzung auf Bewäh­rung bei einer Freiheitsstrafe von über sechs Jahren frühestens nach Verbüßung der Hälfte der Freiheitsstrafe möglich war. Dies bedeutete, dass Rudolf Bahro frühestens nach vier Jahren entlassen werden konnte. Da ich hoffte, dass die Inhaftierung Rudolf Bahros auch für die SED-Führung zu einem Problem geworden war, schlug ich bei ei­nem Gespräch in der Abteilung Staat und Recht des ZK der SED vor, eine Amnestie durchzuführen. Und tatsächlich wurde sie im Jahre 1979 beschlossen. Sie war die engste Amnestie in der Geschichte der DDR. Es war aber kein Zufall, dass Rudolf Bah­ro unter die Amnestie fiel, die zum Teil unlogisch war, weil weniger schwerwiegende Delikte nicht berücksichtigt wurden. Als Rudolf Bahro entlassen wurde, bekam er von mir auch sein Testament zurück und vernichtete es.

Die Unkenntnis von Hubertus Knabe zeigt sich z. B. an seinem Kommentar, dass es Vermerke gebe, in denen ich für meine Person das Wort „Ich“ einsetzte. Das bewiese für ihn alles. Ihm ist offensichtlich nicht bekannt, dass gerade IM’s niemals von sich in eigener Person, sondern immer in dritter Person sprachen. So haben es die Staatssi­cherheitsoffiziere erklärt und so wird es mir ja auch bei anderen Vermerken vorgewor­fen.

Die Angelegenheit mit der elektrischen Eisenbahn von meinem Vater für mich kann ich selbstverständlich nicht beurteilen. Ich habe dazu nie etwas gelesen. Aber es soll ja hier das Bild aufgemacht werden, dass bestimmte Sünden vererblich seien. Man merkt zu deutlich die Absicht.

Als nächstes geht es um Robert Havemann. Zunächst wird quasi ein Kontakt zwischen Erich Honecker und mir unterstellt, obwohl ich Erich Honecker im Unterschied zu vielen westdeutschen Politikern in meinem ganzen Leben nie begegnet bin. In Wirklichkeit wird aus einem Vermerk eines Gesprächs meines Vaters mit Erich Honecker zitiert und der Sachverhalt wiederum falsch dargestellt. Nicht die SED hat mich zu Robert Have­mann geschickt, sondern Robert Havemann hat bei der ersten Verhandlung vor dem Kreisgericht wegen des Vorwurfs des Devisenvergehens erklärt, dass er eine Verta­gung wegen der Beauftragung eines Verteidigers wünsche und sich an Rechtsanwalt Gysi wenden wolle. Als keine Meldung von mir einging, Robert Havemann spielt auch auf Zeit, entschied sich das Gericht, um eine weitere Vertagung zu verhindern, mich beizuordnen. Die Idee kam also nicht von der SED, nicht vom Gericht, sondern von Ro­bert Havemann. Ich und kein anderer klärte ihn darüber auf, dass er einen Pflichtvertei­diger ablehnen könne, was schriftlich zu erfolgen habe. Davon machte er Gebrauch. Das löste beim Gericht und wohl auch der SED keine Begeisterung aus. Anschließend wurde er verurteilt und beauftragte mich dann mit der Berufungseinlegung und Begrün­dung, machte mich also zu seinem Wahlverteidiger. Natürlich wird in dem Film nicht erwähnt, wie die Berufungsbegründung aussah und dass ich einen Freispruch forderte.

Wahr ist allerdings folgendes. Robert Havemann hatte früher einen guten Kontakt zur Parteiführung. Inzwischen waren sämtliche Kontakte abgebrochen. Für die Staatssi­cherheit war er der Staatsfeind Nr. 1. Es ist mir in höchst komplizierten Gesprächen bei der Abteilung Staat und Recht des ZK der SED gelungen, wieder über mich eine indi­rekte Verbindung zwischen Havemann und der Parteiführung herzustellen.

Die Autoren scheuen sich davor zu erwähnen, was alles gelang, nachdem meine Beru­fung verworfen wurde. Das Leben von Robert Havemann war bis dahin geprägt durch die Einleitung von Verfahren, Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmen, Hausarrest etc. Seit meiner Vertretung gab es keine einzige Hausdurchsuchung, keine einzige Be­schlagnahme mehr bei ihm. Es wurde weder ein neues Strafverfahren noch ein neues Ordnungsstrafverfahren gegen ihn eingeleitet. Die Vollstreckung der Aufenthaltsbe­schränkung (sein Hausarrest) wurde ausgesetzt, so dass er sich wieder frei in der DDR bewegen konnte. Erstmalig wurde er zur Teilnahme eingeladen, und zwar an den Feier­lichkeiten zum Jahrestag der Befreiung seines Zuchthauses in Brandenburg von den Nazis. Er nahm zusammen mit Erich Honecker daran teil. Die Staatssicherheit versuch­te aber in einem Haus auf dem Grundstück von Robert Havemann, das nicht ihm, son­dern seiner geschiedenen Ehefrau gehörte, eine dritte Person unterzubringen. Wie sich nach der Wende herausstellte, ging es um einen IM. Hier war es sogar so, dass Robert Havemann weniger misstrauisch war als ich. Er meinte, dass es seiner geschiedenen Frau nur um das Geld ginge, ich meinte, dass dahinter viel bösere Absichten stünden. Dagegen habe ich bei der Abteilung Staat und Recht des ZK der SED vorgesprochen und außerdem die Rechte von Herrn Havemann anwaltlich vertreten. Warum wird nicht erwähnt, dass dieser Mann nicht ein einziges Mal das Grundstück von Robert Have­mann betreten durfte, gerade auch Dank meiner Tätigkeit?

Zum Anruf von IM Gregor, zu den Unterstellungen, dass ich als IM Notar oder als IM Gregor diesbezüglich gewirkt hätte, habe ich mehrfach Stellung genommen. All dies ist widerlegt worden. Mich wundert nur, woher Frau Havemann wissen will, dass es keine Abhöranlage in ihrem Haus gab. Rainer Eppelmann fand eine Abhöranlage in seiner Wohnung. Robert Havemann war aber aus Sicht der Staatssicherheit der noch schlim­mere Staatsfeind. Warum sollten sie gerade bei ihm darauf verzichtet haben?

Im Zusammenhang mit Thomas Erwin bzw. Klingenstein wird zunächst natürlich falsch zitiert, weil zwei Sätze hintereinander genannt werden, die in dem eigentlichen Vermerk aber nicht hintereinander folgen. Dazwischen gibt es mehrere andere Sätze. Falsch ist die Behauptung, wonach ich nur darauf hingewiesen hätte, dass die Staatssicherheit meinen Vermerk gestohlen haben könnte. Ich habe auch auf die Möglichkeit verwiesen, seine Umstände bei der Abteilung Staat und Recht des ZK benannt zu haben, um ihm zu helfen. Das ergibt sich ja auch aus dem Wortlaut, der natürlich nicht vollständig zitiert wird. Er war auch zu dieser Zeit nicht mein Mandant. Es ist eine Methode der Filmauto­ren, sich nur mit einem Argument auseinanderzusetzen und das andere zu unterschla­gen. Im übrigen beweist Herr Knabe wieder seine völlige Unkenntnis, wenn er behaup­tet, dass die Erfindung eines IM’s durch jemanden von der Staatssicherheit ein Delikt gewesen wäre, das mit dem Tode bestraft worden wäre. Das ist blanker Unsinn, diesen Paragraphen soll er mal zeigen. Die Umstände zu Thomas Erwin bzw. Klingenstein sind bereits aufgeklärt und das Hanseatische Oberlandesgericht hat dazu eine klare Ent­scheidung getroffen.

Später habe ich ihn in einem Strafverfahren vertreten. Der Haftbefehl wurde aufgeho­ben, das Ermittlungsverfahren eingestellt und ihm die Ausreise in den Westen gestattet. Sein Mitbeschuldigter – der ein ähnliches Schicksal erfuhr - würdigt dies bis heute.

Insgesamt ist es in diesem Fall völlig albern, von einem Verrat zu sprechen. Dieser liegt nicht einmal im Ansatz vor.

Falsch ist auch die Darstellung zu Siegfried Runge. Er kam als ein schwer gezeichneter Mann zu mir. Er litt unter dem Tod seines Sohnes, was jeder nachvollziehen kann. An­dererseits wollte er seine gesellschaftliche Stellung nicht verändern. Er war Mitglied der SED, wollte es bleiben und blieb es auch. Ein Ermittlungsverfahren lief schon, so dass eine Anzeige gar nicht nötig war. Wie er mir berichtete, wurde das Ermittlungsverfahren wegen angeblicher Notwehr eingestellt. Ausdrücklich erklärte er, dass ich im Strafver­fahren nicht tätig werden soll. Er hat niemals einen anderen Wunsch geäußert.

Im Übrigen wird hier wieder die Unkenntnis der Autoren deutlich. Das Strafprozessrecht der DDR kannte keine Nebenklage. Neben den Beschuldigten bzw. Angeklagten konn­ten nur Geschädigte von einem Anwalt vertreten werden, die einen Schadenersatzan­spruch geltend machten. Die Anwälte durften sich nur und ausschließlich dazu äußern. Das ist mit heutigen Verhältnissen nicht vergleichbar. Deshalb musste ich Siegfried Runge darauf verweisen, dass er im zivilrechtlichen Sinn kein Geschädigter durch dem Tod seines Sohnes sei. Materiell geschädigt sei nur die Witwe und die gemeinsamen Kinder der Witwe und des Getöteten. Die Witwe bekam aber bereits eine Rente, und so entstand die Frage, ob ein zusätzlicher Schadenersatzanspruch gegeben sei. Herr Runge erklärte, dass seine ehemalige Schwiegertochter noch weniger an einer Einmi­schung durch mich interessiert sei als er. Ihm ging es im Gespräch vornehmlich um sei­ne Enkelkinder. Er wollte, dass diese materiell besser gestellt, dass Sparbücher für sie angelegt und bei mir hinterlegt werden. Das hatte etwas mit seinem Verhältnis zur Wit­we zu tun. Trotzdem musste ich ihm erklären, dass ich ein Mandat nur von der Witwe übernehmen könne. Sie könnte mir den Auftrag für sich und ihre Kinder übertragen. Ich erhielt dann eine Vollmacht von ihr und habe sie vertreten. Egal was Staatssicherheits­offiziere in ihre Vermerke schrieben oder nicht, eine Klage durch Herrn Runge gegen das Ministerium für Staatssicherheit war schon zivilrechtlich unzulässig. Außerdem ist der Satz, dass ich angedroht hätte, das Mandat bei ihm niederzulegen, schon deshalb falsch, weil Herr Runge nicht mein Mandant war. Eine solche Klage hätte ich nur für die Witwe und deren Kinder erheben können. Das wäre zivilrechtlich zulässig gewesen. Allerdings wollte sie das nicht, und ein solcher Gedanke in einem solchen Fall war in der DDR auch mehr als absurd. Ich wandte mich aber schriftlich an den Generaldirektor der Hauptverwaltung der Staatlichen Versicherung der DDR. Gespräche haben nur dort und nicht im Ministerium für Staatssicherheit stattgefunden. Meines Erachtens waren es zwei oder drei Gespräche. Allerdings nahm neben einem leitenden Vertreter der Versi­cherung auch ein Mitarbeiter der Staatssicherheit an den Gesprächen teil. Dabei habe ich die Idee einer Klage aufgeworfen, worauf sie sehr abwehrend und abweisend rea­gierten. Ich wollte ihnen deutlich machen, dass eine Verständigung viel sinnvoller wäre. Die Idee mit den Sparbüchern funktionierte nicht, weil die Mutter der Kinder das alleini­ge Erziehungsrecht (heute: Sorgerecht) hatte und ihr die Verfügung darüber nicht ent­zogen werden konnte. Selbstverständlich erwähnen die Filmautoren nicht, dass es mir gelungen ist, eine Erhöhung der Rente zu erreichen. Das war keine Selbstverständlich­keit, denn die Staatssicherheit und ihrem Auftrage auch die Versicherung lehnten jede Schuld der Staatssicherheit diesbezüglich ab. Es ist auch interessant, dass meine ei­gentliche Mandantin in dem Film nicht zu Wort kommt. Ich denke, sie war mit dem, was ich erreichte, nicht ganz unzufrieden. Im übrigen hätte Herr Runge bestätigen können, dass es für ihn sehr schwer war, einen Anwalt zu finden, der bereit war, für die Betrof­fenen tätig zu werden. Immerhin habe ich dies getan.

Die Hinweise von Lutz Rathenow sind ebenso falsch wie überflüssig. Ich denke, ich ha­be ihn nicht schlecht vertreten, auch in dem Ermittlungsverfahren, in dem der Haftbefehl gegen ihn aufgehoben und das Verfahren eingestellt wurde. Wie er glaube auch ich nicht, dass beim Empfang in der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in der DDR Abhöranlagen geschaltet waren, das wäre wohl ein reines Stimmenwirrwarr geworden. Aber unser Gespräch kann natürlich von jemandem, der neben uns stand, mitgehört worden sein. Weshalb ich gerade der Informant für eine solche alberne Aus­kunft gewesen sein soll, kann auch niemand erklären.

Auch die Angelegenheit mit Vera Lengsfeld wird völlig falsch dargestellt. Natürlich hatte ich einen Mandanten und zwar ihren Ehemann. Dem Bürgerrechtler Gerd Poppe hatte ich meine private Telefonnummer gegeben. Dieser gab sie dem Ehemann von Vera Lengsfeld, damals Wollenberger. Dieser rief mich am Wochenende an. Alle im Zusam­menhang mit der Demonstration vom 17. Januar 1988 Inhaftierten waren bereits auf freien Fuß gesetzt, außer Vera Lengsfeld. Das lag daran, dass sie so schnell wie mög­lich aus der Untersuchungshaft entlassen werden wollte und bereit war, dafür vorüber­gehend nach Großbritannien auszureisen. Allerdings bestand sie darauf, ihre jüngeren Kinder mitzunehmen.

Ihr Ehemann wollte, dass Vera Wollenberger es in der Untersuchungshaft noch länger aushielte, weil er meinte, dass sie dann in die DDR entlassen werden würde. Deshalb hatte er die Kinder versteckt. Er rief mich an und erkundigte sich nach der Rechtssitua­tion. Ich erklärte ihm, dass verheiratete Eltern gemeinsam über den Aufenthaltsort der Kinder zu entscheiden hätten. Auf Klage eines Ehepartners kann das Gericht entschei­den, dass nur ein Ehepartner über den Aufenthaltsort zu entscheiden hat. Selbst wenn seine Ehefrau gegen ihn diesbezüglich Klage erheben sollte, würde selbst bei Abkür­zung sämtlicher Fristen ein Zeitraum von über zwei Wochen vergehen, bevor eine rechtskräftige Entscheidung möglicherweise gegen ihn vorliegen könne. Auf diese Art und Weise könne er ihre Ausreise verzögern. Am selben Samstag besuchte er in mei­ner Begleitung seine Ehefrau in der Untersuchungshaftanstalt. Zunächst sprachen die Eheleute allein im Beisein eines Mitarbeiters der Staatssicherheit miteinander. An­schließend sprachen wir zu dritt, ebenfalls in Anwesenheit des Mitarbeiters der Staats­sicherheit. Die Eheleute hatten sich verständigt und ich setzte einen Vertrag auf, den wir zu dritt unterschrieben. In dem Vertrag war geregelt, dass der Ehemann sechs Wo­chen lang den Aufenthaltsort der Kinder bestimmen durfte, danach war sie berechtigt, ein Jahr lang den Aufenthaltsort der Kinder zu bestimmen. Dies bedeutete, dass sie es ggf. noch sechs Wochen in Untersuchungshaft aushalten müsste, wenn bis dahin keine Entlassung in die DDR stattfände. Anschließend hätte sie dann mit den Kindern für ein Jahr nach Großbritannien ausreisen können. Es ist völlig absurd, wenn behauptet wird, dass ich ihr zur Ausreise nach Großbritannien geraten hätte. Mein Mandant, ihr Ehe­mann, wollte das Gegenteil. Er war ständig dabei, als ich sprach. Wenn ich dort gegen seine Interessen argumentiert hätte, wäre es ihm aufgefallen und er hätte mich aus dem Mandat entlassen.

Die Tatsache, dass ich auf diese Art und Weise wirkte, führte sogar dazu, dass der stellvertretende Generalstaatsanwalt der DDR in einer Dienstbesprechung erklärte, dass ich die Entscheidungen der Partei- und Staatsführung mit meinem Agieren verletzt hätte, so dass er davon ausginge, dass mir die Zulassung entzogen werden würde, wasnicht geschah. Von dieser Äußerung in der Dienstbesprechung hat mir Staatsanwalt Przybilski später berichtet. Der Ehemann von Frau Wollenberger bzw. Lengsfeld hat dann bis Montag seine Meinung geändert. Es müssen andere gewesen sein, die ihn diesbezüglich beeinflussten. Auf seine Bitte hin wandte ich mich noch einmal an die Generalstaatsanwaltschaft der DDR, die erneut bestätigte, dass eine Entlassung in die DDR nicht stattfände. Selbstverständlich war der zuständige Staatsanwalt Dr. Gläßner auskunftsbereit, da er wusste, dass ich als Anwalt des Ehemannes von Frau Wollen­berger bzw. Lengsfeld mit ihm bei ihr in der Untersuchungshaftanstalt war. Am Montag gab es ein weiteres Treffen der Eheleute, woran ich auf Bitte meines Mandanten teil­nahm. Anwesend war auch der Verteidiger von Frau Wollenberger bzw. Lengsfeld, der damalige Rechtsanwalt Schnur. Herr Wollenberger stimmte der Ausreise seiner Ehefrau mit Kindern zu. Die Behauptung, dass es einen Beschluss des Gerichts zur Strafaus­setzung auf Bewährung für Frau Wollenberger bzw. Lengsfeld in die DDR gegeben hät­te, ist zumindest insoweit falsch, da ein solcher Beschluss nur regelte, dass und wann eine Entlassung stattfand, aber nicht wohin sie erfolgte. Wenn es wirklich diesen Be­schluss gab, wonach sie am Sonnabend hätte entlassen werden müssen, hätte an­schließend bis Montag eine Freiheitsberaubung stattgefunden. Aber dies bewiese gera­de, dass die Generalstaatsanwaltschaft nur eine Entlassung nach Großbritannien und nicht in die DDR duldete. Denn wenn es einen Gerichtsbeschluss für Sonnabend gab und sie nicht entlassen wurde, dann ja offensichtlich deshalb nicht, weil sie ohne Kinder nicht in Richtung Großbritannien, sondern nur in die DDR gegangen wäre. So wurde der Beschluss einfach negiert. Er hätte aber bestätigt, dass die Behörden ihre Entlas­sung spätestens am Sonnabend wollten. Ihr Ehemann hatte mit meiner Hilfe, mit mei­nen Auskünften und mit meinem Wirken dies verhindert. Da in dem Film dennoch be­hauptet wird, dass ich in dieser Hinsicht als Vermittler für SED und Stasi tätig war, ist das absurder Unsinn.

Zum Fall Gerhard Fiedler ist eigentlich alles geklärt worden. Selbstverständlich stand er zum Zeitpunkt, als er die DDR verließ, noch in meinem Mandat. Die Vermögensausei­nandersetzungen mit seiner geschiedenen Frau waren gerichtlich noch nicht abge­schlossen. In Westberlin genehmigte er mir dann, den Prozess zu beenden. Er irrt nicht nur in diesem Punkt. Er irrt auch dahingehend, dass ich 50 DM hatte, denn es warenlediglich 20 DM Spesen. Im Übrigen gab es auch keinen Streit über das Bezahlen der Zeche. So etwas liegt mir fern. Ich habe selbstverständlich die Zeche bezahlt.

Mit der Staatssicherheit hatte das in Bezug auf mich nichts zu tun. Das Problem be­stand darin, dass Herr Fiedler der Nachbar des Leiters der Abteilung Staat und Recht des ZK der SED und Mitglied des ZK Klaus Sorgenicht war. Die Reisegenehmigung wurde ihm versagt. Er hatte Klaus Sorgenicht gebeten, sich für ihn einzusetzen, was dieser tat. Deshalb bekam er die Genehmigung zur Reise, kehrte aber nicht zurück. Dies war Klaus Sorgenicht unangenehm und er bat mich, mit meinem Mandanten zu sprechen und ihm das Angebot zu unterbreiten, dass er in die DDR kommen und mit seiner Lebensgefährtin sprechen könne. Wenn er anschließend immer noch ausreisen wolle, könne er die DDR sofort wieder verlassen. Es würde keine Inhaftierung geben. Ich habe Klaus Sorgenicht zweimal gefragt, ob das auch exakt so eingehalten werden würde, weil ich sonst nie wieder eine Botschaft übermitteln könne. Er versprach mir dies. Und genau dies habe ich Herrn Fiedler übermittelt, der es aber nicht wollte. Den Kontakt zu ihm habe ich über seine Westberliner Rechtsanwälte hergestellt.

Unklar ist mir die Behauptung, dass ich vom Zoll der DDR nicht mehr kontrolliert werden durfte, da ich regelmäßig kontrolliert worden bin.

Wenn man nun behauptet, dass meine Kontakte zur SED schlimmer waren als welche zur Staatssicherheit gewesen wären, dreht man die ganzen bisherigen Vorwürfe gegen mich um. In der DDR konnte manches eben nur auf dem Weg über Gespräche, über das Verhandeln mit der Partei erreicht werden. Selbstverständlich fühlte ich mich ver­pflichtet, solche Möglichkeiten für meine Mandanten – niemals gegen sie - auszuschöp­fen. Die Ergebnisse zeigen, dass es für meine Mandanten Sinn machte.

Soweit mir unterstellt wird, mit der Staatssicherheit zusammengearbeitet zu haben, als IM tätig gewesen zu sein, sogar Mandantenverrat begangen zu haben, ist dies alles falsch. Nicht ein einziges Ermittlungsverfahren ist diesbezüglich je gegen mich eingelei­tet worden, weil diese Behauptungen unwahr sind, nicht belegt werden können. Interes­sant ist auch, dass fast nur Personen befragt wurden, die nicht meine Mandantinnen bzw. Mandanten waren, zumindest nicht in dem Zusammenhang, in dem sie im Film zu Wort kommen. Das trifft auf Katja Havemann, Thomas Erwin bzw. Klingenstein, Siegf­ried Runge, Lutz Rathenow und Vera Wollenberger bzw. Lengsfeld zu.

Der Film ist entgegen seiner Darstellung auch nicht besonders mutig. Es liegt so sehr im Mainstream, einen Film gegen mich zu drehen, mich so zu diffamieren, dass dazu wenig Couragiertheit gehört. Es sind auch fast immer dieselben Personen, die in sol­chen Beiträgen gegen mich Stellung nehmen. Missachtet werden alle Gerichtsentschei­dungen, die diesbezüglich schon getroffen wurden. Der Wunsch, mich zu diffamieren, ist einfach zu groß. Im Unterschied zu den Autoren des Films weiß ich aber wie ich mein Leben gelebt habe und weiß deshalb auch, dass ich für meine Mandantinnen und Mandanten in der DDR eine engagierte Arbeit leistete. Das mag den Autoren und ande­ren missfallen, ändern können sie es nicht.