Wahlversprechen: erfüllt

Ein seltenes Dreierbündnis feiert Geburtstag: ein Jahr Rot-Rot-Grün im Saarbrücker Stadtrat

05.01.2011 / Von Martin Sommer, erschienen in Disput (Mitgliederzeitung der LINKEN)

Es war 1976, als das Saarbrücker Rathaus schon einmal im Fokus der Republik stand. Damals betrat ein Mann die politische Bühne, der diese Stadt und das Land gehörig verändern sollte: Mit 32 Jahren wurde Oskar Lafontaine jüngster Oberbürgermeister Deutschlands.

Tatsächlich hat er die saarländische Landeshauptstadt in seiner Amtszeit deutlich geprägt. Er ließ die heruntergekommene Altstadt sanieren und zur Fußgängerzone machen – heute eines der Aushängeschilder der Stadt. Das verfallene Saarbrücker Schloss ließ er restaurieren und legte den Grundstein für das Max-Ophüls-Filmfestival – heute noch der bedeutendste Nachwuchspreis Deutschlands.

Jetzt, Ende 2010, zieht das Saarbrücker Rathaus wieder einmal die Blicke der Republik auf sich. Denn seit genau einem Jahr regiert hier ein äußerst seltenes Dreierbündnis: DIE LINKE, SPD und Grüne haben hier das einzige Bündnis dieser Art in einer deutschen Landeshauptstadt geschlossen, das erste in Westdeutschland. Und mit Harald Schindel hat DIE LINKE hier auch ihren ersten hauptamtlichen Beigeordneten in einer westdeutschen Kommune, zuständig für Bürgerdienste, Sicherheit, Soziales und Sport. Unter der Überschrift »Sozial gerecht, wirtschaftlich erfolgreich, ökologisch innovativ« wollen die drei Parteien den Stadtrat und die Stadt verändern.

Wie diese Veränderung aussieht, kann man etwa in Saarbrücken-Burbach sehen, einem Stadtteil, in dem besonders viele Menschen von Arbeitslosengeld und Hartz IV leben müssen. An der Weyersberg-Grundschule sind inzwischen alle Essensplätze belegt, jetzt nehmen 100 Kinder mehr am Mittagessen teil als noch vor den Sommerferien. Denn hier und an der Ganztagsgrundschule Folsterhöhe – einem zweiten sozialen Brennpunkt – ist das Mittagessen nun für alle Schülerinnen und Schüler kostenlos. Weitere Schulen werden im nächsten Jahr folgen. 250.000 Euro hat der Stadtrat für das Projekt in diesem Jahr bereitgestellt. Was jetzt nicht ausgegeben wird, steht im nächsten Jahr zusätzlich zur Verfügung.

2009 ist DIE LINKE in Saarbrücken zum ersten Mal bei den Kommunalwahlen angetreten und hat auf Anhieb mehr als 17 Prozent eingefahren. Nach einem Jahr sind zwei der zentralen Wahlversprechen schon so gut wie erfüllt: Der Einstieg in das kostenfreie Mittagessen für alle Kinder an Ganztagsgrundschulen ist seit August geschafft. Und Anfang nächsten Jahres sollen Arbeitslose und Geringverdiener in Saarbrücken mit einem Sozialpass kostenfreien oder ermäßigten Zugang zum Zoo, zu den Bädern der Stadt, Museen, zur Stadtbibliothek, zur Musikschule und zum kommunalen Kino erhalten. Das Geld dafür steht im Haushalt schon bereit.

Die bislang größte Bewährungsprobe für das Bündnis war der Haushalt 2010. Das Land, in dem eine schwarz-gelb-grüne Jamaika-Koalition regiert, hatte von der Stadt heftige Einsparungen verlangt und ein Gutachten in Auftrag gegeben, das zeigen sollte, wo genau gespart werden könnte. Die Gutachter plädierten unter anderem für Stellenabbau und die Schließung von Schwimmbädern. Beides lehnt DIE LINKE entschieden ab. Im Bündnisvertrag mit SPD und Grünen ist deutlich festgeschrieben, dass weder in der Stadtverwaltung noch in den städtischen Eigenbetrieben Arbeitsplätze abgebaut werden. Tatsächlich hat Rot-Rot-Grün ein Maßnahmebündel geschnürt, das den städtischen Haushalt allein in diesem Jahr um 4,8 Millionen Euro verbessert, ab 2013 sogar um 16 Millionen – ohne Stellenabbau, ohne Privatisierungen und ohne Schwimmbadschließungen. Auf Initiative der LINKEN hat der Stadtrat im Mai die Einführung einer Bettensteuer beschlossen: Nachdem Hoteliers vom Bund 12 Prozent an Steuern geschenkt bekommen haben, fordert die Stadt fünf Prozent davon zurück. Immerhin bezahlt die Stadt ja auch die Infrastruktur, von der Hotels und ihre Gäste profitieren – ob Straßen, Schwimmbäder, Museen oder die Messe. Und klar ist: Ohne eine Verbesserung der Einnahmeseite kann keine hochverschuldete Kommune auf Dauer überleben. Ohne die Hilfe des Bundes und der Länder auch nicht.

Gerecht sparen und gleichzeitig in Bildung, Familien und soziale Projekte investieren heißt die Devise. Im nächsten Jahr will das Bündnis einen Windelbonus einführen, damit Familien mit kleinen Kindern und inkontinente Erwachsene nicht bei den Müllgebühren bestraft werden.

»Wir sind also auf einem guten Wege«, erklärt Rolf Linsler, der Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Stadtrat. Lob für das Bündnis gab es auch schon von Oskar Lafontaine: »DIE LINKE kann durchaus den Mut haben, Haltelinien oder Grundbedingungen für eine Regierungsbeteiligung zu formulieren: keine weitere Sozialkürzung, keine weitere Privatisierung, kein weiterer Arbeitsplatzabbau. In der Stadt Saarbrücken, wo wir eine rot-rot-grüne Zusammenarbeit vereinbart haben, steht dies im Koalitionsvertrag.«