Der deutsche Arbeitsmarkt profitiert weiter von der wirtschaftlichen Erholung. Die Zahl der offiziell Arbeitslosen sank im August saisonbereinigt geringfügig um 17.000 auf 3,188 Millionen. Gleichzeitig haben viele Firmen auch die Kurzarbeit zurückfahren. Hatten auf dem Höhepunkt der Kurzarbeit im Mai 2009 noch rund 1,6 Millionen ArbeitnehmerInnen verkürzt gearbeitet, ist ihre Zahl bis zum Juni auf gut 400 000 Personen gesunken.
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) erwartet, dass die Zahl der Arbeitslosen im Herbst zum ersten Mal seit zwei Jahren unter drei Millionen sinken wird. Direkt vor dem Höhepunkt der Finanz- und Wirtschaftskrise waren nur 3.000 Menschen weniger offiziell als arbeitslos gemeldet. Ist die Krise also durchgestanden und gibt es eher rosige Perspektiven für Arbeitssuchende und Beschäftigte?
Ein zweiter Blick in die Arbeitsmarktstatistik ergibt ein differenziertes Bild.
Es gehört seit geraumer Zeit zur Gepflogenheit der Bundesregierungen sich die Arbeitslosigkeit schön zu rechnen. Arbeitslose, die krank sind, einen Ein-Euro-Job haben oder an Weiterbildungen teilnehmen, werden bereits seit längerem nicht mehr als arbeitslos gezählt. Fast alle Arbeitslosen, die älter als 58 sind, erscheinen nicht in der offiziellen Statistik. Seit Mai 2009 zählen auch die von privaten Arbeitsvermittlern betreuten Arbeitslosen nicht mehr als arbeitslos, obwohl sie keine Arbeit haben.
Bürstet man die Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur quer, waren im August 2010 4,29 Millionen Menschen ohne Arbeit. Hinzu gerechnet werden müssen diejenigen, die eine Arbeit suchen, aber nicht bei der Arbeitsagentur gemeldet sind (stille Reserve). Summa Summarum suchen mehr als fünf Mio. BundesbürgerInnen eine Arbeit.
Darüber hinaus sind bedeutende Strukturveränderungen am Arbeitsmarkt festzustellen:
In der aktuellen wirtschaftlichen Aufschwungphase setzt sich also der Prekarisierungsprozess der Lohnarbeit beschleunigt fort. Zeitarbeit und befristete Beschäftigung erleben einen regelrechten Boom. Die Zahl der Personen in atypischen Beschäftigungsformen ist in den letzten zehn Jahren deutlich gestiegen. 1999 waren 19,7% aller ArbeitnehmerInnen in atypischen Beschäftigungsformen tätig. Bis 2009 ist ihre Zahl um 1,8 Mio. Personen auf 7,6 Mio. angestiegen. Der Anteil hat sich damit im Jahr 2009 auf 24,8% aller Lohnabhängigen erhöht.
Die relativ stabile Situation am Arbeitsmarkt sorgt natürlich wie die wirtschaftliche Erholung insgesamt für gute Stimmung bei den schwarz-gelben Koalitionären, die sich einen "Aufschwung" aus dem Tal der (Umfrage-)Tränen erhoffen. Die Bundesregierung sieht die Zahlen vor allem als Beweis dafür, dass die gegenwärtige Erholung nachhaltig ist. "Dass wir bei der Beschäftigung auf diesem Niveau aus dem Tal kommen, hätte vor einem Jahr niemand geglaubt", sagte Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen.
Wie nachhaltig die wirtschaftliche Erholung sich allerdings tatsächlich darstellt, ist höchst ungewiss. Vor allem aus den USA und Japan kommen unüberhörbare Signale, die auf einen Wirtschaftseinbruch und/oder das Einschwenken dieser Volkswirtschaften in eine stagnative Entwicklung hindeuten. Und auch in China droht eine Abkühlung im Wachstumstempo. Die wirtschaftlichen Aussichten auf diesen für die deutsche Wirtschaft wichtigen Absatzmärkten trüben sich also deutlich ein.
Hinzu kommt, dass die inländische Nachfrage zwar Impulse durch das Auslaufen der Kurzarbeit erhält. In einigen gewerkschaftlich gut organisierten Teilbereichen kann zudem mit einer Erhöhung der Arbeitseinkommen gerechnet werden. Die Mehrheit der Lohnabhängigen aber wird vor dem Hintergrund sich noch weiter ausdehnender prekärer Beschäftigungsverhältnisse und tariffreier Zonen gar nicht oder nur bescheiden an den Erträgen des Erholungsprozesses beteiligt werden.
Vor dem Hintergrund der sich eintrübenden Weltkonjunktur ist deshalb der Übergang der schwarz-gelben Bundesregierung zu einer drastischen Austeritätspolitik, bei der vor allem die SozialleistungsempfängerInnen zur Kasse gebeten werden, mehr als fahrlässig. Sie schwächt damit zusätzlich die Binnenkonjunktur, was in der Kombination mit nachlassenden Exporten die Gefahr eines wirtschaftlichen Rückschlags auch für Deutschland massiv verstärkt.
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