Ein Schatten fällt über die Stadt: Die „Schuldenbremse“ und der rot-grüne Kürzungsplan

Fraktion DIE LINKE in der Bremischen Bürgerschaft

08.08.2010

Es fehlen 1,1 Mrd. Euro Einnahmen

In Bremens Haushalten fehlen im Jahr 2010 voraussichtlich circa 1,1 Mrd. Euro. 26 Prozent der Ausgaben sind nicht durch Einnahmen gedeckt. Sie müssen durch neue Kredite finanziert werden.

Ab 2020 dürfen alle Bundesländer nicht mehr Geld ausgeben als sie einnehmen.

Das bestimmt die „Schuldenbremse“, die 2009 mit Zustimmung des Bremer Senats in das Grundgesetz aufgenommen worden ist.

Das bedeutet, dass das Haushaltsdefizit im Jahr 2020 null Euro betragen muss. Bremen hat sich verpflichtet, jedes Jahr circa ein Zehntel dieses Defizits abzubauen, das sind 110 Mio. Euro pro Jahr.

Der (geplante) Weg zur „Null“

Haushaltsdefizite lassen sich auf zwei Wegen ausgleichen: Erhöhung der Einnahmen und Senkung der Ausgaben.
Der rotgrüne Senat stellt sich die Anpassung wie folgt vor: Die Gesamtausgaben sollen bis 2020 gleich bleiben und die Einnahmen jedes Jahr um mehr als 3 Prozent steigen. Einnahmesteigerungen in dieser Größenordnung gab es seit Anfang der 1990er Jahre nicht mehr. Für 2011 und 2011 werden schon jetzt geringere Wachstumsraten prognostiziert. Über drei Prozent Einnahmeerhöhung sind also eher unrealistisch.

Alles halb so wild?

Nehmen wir mal an, die Einnahmen steigen so, wie es sich die Landesregierung erhofft, und die Gesamtausgaben bleiben gleich. Bleibt Bremen dann von Kürzungen verschont?

Leider nein, denn die Zinsen für die aufgelaufenen Schulden und die sogenannte Versorgungslasten werden bis 2020 zwangsläufig steigen. Das allein macht eine Kürzung aller anderen Ausgaben um sechs Prozent erforderlich.

Hinzu kommt der Kaufkraftverlust. 100 Euro heute sind aufgrund von Preissteigerungen und Tariferhöhungen im Jahr 2020 nur noch rund 80 Euro wert. Hier liegt eine versteckte Kürzung um weitere 20 Prozent.

Die Gesamtausgaben auf den Stand von 2010 einzufrieren, bedeutet also eine reale Kürzung von etwa 26 Prozent. Sprich: Das Haushaltsdefizit von 2010 – 1,1 Mrd. Euro – muss irgendwie durch Kürzungen ausgeglichen werden.

Der 1,1-Milliarden-Euro-Schatten

Bis 2020 müssen die Ausgaben um 1,1 Mrd. Euro niedriger ausfallen.

Kürzungen bis zu 40 Prozent

Auch ein aktuelles, vom Senat in Auftrag gegebenes Gutachten (Deubel, 2010) rechnet vor, dass die Ausgaben Bremens 2020 in heutiger Kaufkraft nur noch 3,126 Mrd. Euro betragen dürften.

Unis und Hochschulen, Schulen, Investitionen, Häfen, öffentliche Dienstleistungen, Polizei und Justiz, Bremerhaven: Jeder dieser Aufgabenbereiche müsste bis 2020 auf bis zu 60 Prozent des bisherigen Ausgabenvolumens gekürzt werden. Dann würde
alles in den Haushalt 2020 passen. In der Theorie – rein rechnerisch also – ist das möglich, praktisch geht das nur unter dramatischen Einbußen. Ein großer Teil der öffentlichen Aufgaben kann nicht mehr gewährleistet werden. Schulen, Unis, Kindergärten, Krankenhäuser, Kultur, Verkehr müssten zunehmend privat finanziert werden. Die soziale Kluft zwischen Arm und Reich nimmt drastisch zu.

Vorzeichen der KürzungslawineDer Senat bezeichnet sein Vorhaben, die Ausgaben bis 2020 auf die Höhe der Einnahmen zu kürzen, als einen Weg ohne Alternative, der für Bremen auch eine „Chance“ sein kann. Der Ehrgeiz ist ungebrochen.Im Frühjahr hat der Senat öffentlich erklärt, wie und wo er bis 2014 “sparen“ will:

  • Weniger Investitionen: Die investiven Ausgaben werden 2011 um 30 Mio. Euro, 2013 um weitere acht und 2014 um weitere 29 Mio. Euro gekürzt (zusammen 67 Mio. Euro).
  • Höhere Gebühren, niedrige Löhne: Durch Steigerung von Gebühren und Eintrittspreisen sowie niedrige Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst werden weitere Ausgaben reduziert. Es wird überdies offen über einen Ausstieg aus Tarifverträgen oder „Sonderlösungen“ diskutiert.
  • Stellenabbau: Im öffentlichen Dienst werden bis 2014 950 Stellen abgebaut. Bis 2020 werden es dann 1.900 Stellen sein. Der gleiche Stellenabbau findet in Einrichtungen statt, deren MitarbeiterInnen nicht direkt im öffentlichen Dienst angestellt sind (erweiterter öffentlicher Dienst: Büchereien, Theater…), bis
  • 2020 betrifft das geschätzte 8.000 Menschen.

DIE LINKE stellt sich dagegen. Sozialabbau, Stellenabbau und Privatisierungen sind für uns nicht die Lösung, sondern ein Problem. Wir wollen ein lebendiges und lebenswertes Bremen für alle. Den Haushalt durch Kürzungen zu sanieren, macht Bremen kaputt.

Hinter uns liegen zehn magere Jahre, vor uns zehn Hungerjahre

Bremen spart seit anderthalb Jahrzehnten. Die sogenannten Primärausgaben (alle Ausgaben ohne Zinszahlungen, also das Geld, was real in Bremen ankommt) sind von 1992 bis 2008 lediglich um sieben Prozent gestiegen. Angesichts einer aufsummierten
Inflationsrate von circa 30 Prozent mussten wir damit eine reale Kürzung der Primärausgaben um 23 Prozent wegstecken.

Das sind unter anderem 5.000 Stellen weniger im öffentlichen Dienst sowie jahrelanges Einfrieren oder Absenken von Mitteln für Arbeit, Bildung, Kultur und Jugend.

Der aktuelle „Sanierungsplan“ des Senats wird diesen Kurs auf die Spitze treiben: höhere Gebühren und Eintrittsgelder, Abbau von Bürgerservice, eine zunehmend marode Infrastruktur, überlastete und unterbezahlte Angestellte und BeamtInnen im öffentlichen Dienst. Der Kurs geht klar zulasten derjenigen, die die öffentlichen Leistungen erbringen bzw. in Anspruch nehmen und brauchen: SchülerInnen, Eltern, Kulturschaffende und -freunde, Erwerbslose, Studierende, Gewerbetreibende, MigrantInnen … Die nächste Kürzungsrunde geht an Bremens Substanz!

Ein Senat, der den Eindruck erweckt, er könne in den kommenden Jahren weitere Hundertmillionen „abschmelzen“, überspielt die tatsächliche Situation und tut Bremen langfristig nicht gut. Nötig wäre eine Regierung, die sich offen gegenüber Bund und
Ländern verweigert, unter den derzeitigen finanziellen Bedingungen bei der „Schuldenbremse“ mitzuspielen.

DIE LINKE fordert: Einnahmen erhöhen!

In Bremen und Bremerhaven ist schon mehr als genug gekürzt worden. Die Ausgaben zum Beispiel für Schulen, für Kinder und Familien, für öffentlich geförderte Beschäftigung, für Kultur und Ökologie sind schlicht zu niedrig. Weitere massive Kürzungen werden vielleicht den Haushalt sanieren, aber sicher auch das
Gemeinwesen im Land Bremen ruinieren.

Die jetzigen Einnahmen Bremens reichen nicht einmal, um die Pflichtaufgaben der öffentlichen Hand abzudecken. Bremens Finanzen können sozial verträglich saniert werden, wenn sich die Politik zu folgenden Maßnahmen bekennt:

  • Einführung einer umfassenderen Gewerbesteuer für Kommunen;
  • massive Einnahmesteigerung über Vermögenssteuer, Erbschaftsteuer, Millionärsabgabe, Finanztransaktionssteuer;
  • Einrichtung eines Ausfallfonds für Länder und Kommunen, der in Wirtschaftskrisen die Grundfinanzierung sichert;
  • Reform des Länderfinanzausgleichs zugunsten der Stadtstaaten;
  • Entlastung Bremens von den 16 Mrd. Euro Altschulden, die sich über 30 Jahre hinweg aufgebaut haben.

Nur deutlich höhere Einnahmen können Bremens Haushaltsschatten aufhellen.