Eine interventionsfähige, pluralistische LINKE ist unverzichtbar

Joachim Bischoff, Björn Radke und Axel Troost

18.01.2010 / Sozialismus

In den letzten Wochen hat es wachsende Spannungen an der Parteispitze der LINKEN gegeben. Es geht bei unterschiedlichen programmatisch-strategischen Positionen immer auch um Personen. Allerdings sollten bei allen Personaldebatten die inhaltlichen Differenzen deutlich bleiben. Und es geht darum, dass durch Spannungen und Debatten die Politikfähigkeit der Partei DIE.LINKE nicht gefährdet wird.

Vier Jahre nach dem fulminanten Bundestagswahlkampf von Oskar Lafontaine und Gregor Gysi und zwei Jahre nach dem Zusammenschluss der WASG mit der Linkspartei.PDS zeigt sich, wie brüchig die "vereinigte Partei" noch ist. Wenige Wochen nach ihrem Erfolg bei der Bundestagswahl ist die politische Kraft der LINKEN hinter ihre selbst gesteckten und die von ihren WählerInnen eingeforderten Ansprüche zurückgefallen.

In einer Zeit, in der Weichenstellungen über die weitere soziale, wirtschaftliche und politische Entwicklung in dieser Republik und in Europa vorgenommen werden

über die Verlängerung oder Überwindung einer Systemkrise, über die Vertiefung einer durch wachsende Prekarisierung geprägten Klassengesellschaft oder die Erneuerung von Solidarität und sozialer Gerechtigkeit, über die Verschärfung rechtspopulistischen Ressentiments und rassistischer Vorurteile oder eine neue politische Kultur von unten,ist eine interventionsfähige, nach vorne diskutierende, mobilisierungs- und bündnis-fähige LINKE jetzt notwendiger denn je.

Doch seit der Entscheidung Oskar Lafontaines, sich wegen seiner schweren Erkrankung zunächst aus den Führungsgremien der Partei zurück zu ziehen, hat sich der schon seit längerem kaum offen ausgetragene Konflikt um die zukünftige politische Ausrichtung der Partei nun über eine zugespitzte Personaldebatte verschärft. Personaldebatten, die statt inhaltlicher Debatten geführt werden, sind der falsche Weg.

Die Partei hat es bisher versäumt, eine Debatte über Kernfragen – wie z.B. über den Zusammenhang von Übergangsforderungen mit der Zielsetzung einer solidarischen Ökonomie – voranzubringen. Es besteht die Gefahr, entweder im alltäglichen Verbesserungsanspruch stecken zu bleiben oder unkritisch auf überholte Sozialismusvorstellungen des 20. Jahrhunderts zurückzugreifen. Darüber hinaus droht für unsere politische Alternativen, dass mögliche Konsense zerredet werden und eben keine Verständigung auf weitergehende Zielsetzungen erfolgt.

Es ist Ausdruck einer programmatisch-intellektuellen Schwäche der Partei, wenn viele der strategischen Impulse immer wieder nur von wenigen, oder personifiziert vom Parteivorsitzenden vorgetragen werden. Leider tut sich unsere Partei schwer mit der Entwicklung einer breiten strategisch-programmatischen Debatte. Die LINKE braucht aber eine kritische Aufarbeitung der jüngsten Entwicklung des Kapitalismus. Hierzu muss die in diesem Jahr beginnende Programmdebatte dringend genutzt werden.

Nur bürgerliche Parteien können sich darauf beschränken, die bestehenden Herrschaftsverhältnisse lediglich abzubilden. DIE LINKE muss politische Projekte definieren, die über den Zustand immer wiederkehrender kapitalistischer Krisenverhältnisse hinausweisen. Sie steht in der Tradition, den Gegensatz von Reform und Überwindung der bürgerlichen Gesellschaft aufzuheben. Die Zukunft dieser Partei kann nur darin bestehen – im Unterschied zur ausgezehrten deutschen Sozialdemokratie -, die in ihr vorhandenen unterschiedlichen Strömungen in konstruktive Richtungsauseinandersetzungen zu führen, bei Wahrung der Integrität der Personen, und dafür die Verständigungsplattformen zur Verfügung zu stellen.

DIE LINKE ist darauf angewiesen, dass sie Deutungshoheit in allen ihren Verästelungen entwickelt und nicht "von oben" diktiert bekommt. Deutungshoheit muss unterhalb der Zentrale entstehen.

Die Sofortforderungen – gesetzlicher Mindestlohn, armutsfeste Altersrenten, Abschaffung des Hartz-IV-Systems, Beendigung der Auslandseinsätze der Bundeswehr – müssen in eine umfassende Strategie zu einer grundlegenden Gesellschaftsveränderung eingebunden werden.

Alle Strömungen in der Partei sollten sich der großen Verantwortung bewusst werden und in dem weiteren Entwicklungs- und Konsolidierungsprozess den real existierenden Pluralismus als große Chance und als unverzichtbares Potenzial begreifen.