Größenwahn mit Methode

Zum Fisko der BayernLB

17.12.2009 / Joachim Bischoff / Norbert Weber, Sozialismus

Die BayernLB kommt - wie ihre Schwestern HSH Nordbank, Landesbank Baden-Württemberg und West LB - seit Monaten nicht zur Ruhe: Zehn Milliarden Euro musste der Freistaat in das Institut pumpen, um es vor der Pleite zu bewahren.

Mitte Oktober ließ die Staatsanwaltschaft bei der BayernLB eine Razzia durchführen. Die Ermittler vermuteten, dass die Landesbank beim Kauf der österreichischen Hypo Group Alpe Adria (HGAA) deutlich zu viel gezahlt hat. Das Ergebnis dieser Aktion liegt noch nicht vor.

Jetzt hat die HGGA der BayernLB erneut zu dramatischen Schlagzeilen verholfen. Im Hauruckverfahren musste die sieche Bank gerettet werden. Österreich verstaatlicht das Geldhaus. Die BayernLB verliert dadurch 3,7 Mrd. Euro - und ihren Vorstandschef Michael Kemmer.

Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung zieht in diesem Zusammenhang einen bemerkenswerten Vergleich: "Der Privatbankier und fränkische Mäzen Schmidt wurde, weil es beim Drehen des kleinen Rades in der Provinz kleine Unwuchten gegeben hatte, mit einem großen Wirtschaftsstrafverfahren überzogen. Die Staatsanwaltschaft wollte ihn gar für drei Jahre hinter Gitter bringen; das Landgericht Hof verurteilte ihn im Frühjahr 2009 wegen Untreue zu einem Jahr Haft auf Bewährung. Begründung: Er habe seine Bank durch einen ungesicherten Kredit um 30 Millionen Euro geschädigt. Verglichen mit den Schäden, die den Landesbanken durch größenwahnsinnige Geschäfte entstanden sind, klingt das bescheiden. Die Landesbanken, ob im Süden, im Norden oder im Westen der Republik, stürzen seit Jahren wegen der Unwuchten der großen Räder, die sie zu drehen versucht haben, von einem Milliardenloch in das andere - ohne dass es bisher einschneidende strafrechtliche Konsequenzen gegeben hätte."

Das vorläufige dramatische Ende des Osteuropa-Abenteuers der BayernLB: Die von der Finanzmarktkrise schwer gebeutelte Landesbank musste ihre österreichische Tochter Hypo Group Alpe Adria (HGAA) an Österreich für einen symbolischen Euro verkaufen und 3,75 Mrd. Euro abschreiben! Welches Gewicht dem Casinospiel beigemessen wurde, zeigt allein die rasante Expansion der Bilanzsumme der HGAA. Summierten sich deren Aktiva im Jahr 1992 auf knapp zwei Mrd. Euro, vervielfachten sie sich bis Mitte 2009 auf 42 Mrd. Euro. Was für ein finanzielles Desaster für den Freistaat Bayern!

Der österreichische Staat übernimmt jetzt für jeweils einen Euro die Anteile der Alteigentümerinnen. Diese schießen zudem 1,05 Mrd. Euro an frischem Kapital ein und stellen 3,4 Mrd. Euro an Liquidität bereit. Vom neuen Alleineigentümer Staat Österreich kommen 450 Mio. Euro an Kapital, die vier größten österreichischen Banken stellen 500 Mio. Euro an Liquidität bzw. Haftungen zur Verfügung. Das ist für das kleine Österreich und seine wirtschaftliche Einflusszone eine gigantische Operation.

Auch der Chef der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, hat sich in die Verhandlungen eingeschaltet und vor einem Dominoeffekt gewarnt, sollte man die als "systemrelevant" eingestufte Bank fallen lassen. "Systemkritisch" ist die HGAA allerdings weniger für Österreich als vielmehr für Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Slowenien und für Serbien.

Knackpunkt des Deals war der Preis, den die BayernLB für den Ausstieg zu zahlen hat. Von den 1,05 Mrd. Euro an frischem Kapital kommen daher 825 Mio. Euro von der BayernLB und auch von der bereitzustellenden Liquidität von 3,4 Mrd. Euro hat die BayernLB den Hauptbrocken von 3,075 Mrd. Euro zu tragen. Sollte die verstaatlichte Bank weiter rote Zahlen schreiben, fallen die Verluste des Freistaates Bayern entsprechend noch höher aus.

Ein grelles Licht werfen die Ereignisse auch auf die Österreichische Nationalbank (OeNB), die im Auftrag der Finanzmarktaufsicht die Bilanzen von Banken prüft. Vor Jahresfrist war die OeNB in einem Gutachten zu dem Schluss gekommen, dass die Hypo Group Alpe Adria nicht als notleidende Bank einzustufen sei, zumal sie auf der Basis eines bereinigten Kreditportefeuilles für das Geschäftsjahr 2009 einen Gewinn in Aussicht stellte. Dieser Befund ebnete der Bank den Zugang zu einer staatlichen Kapitalspritze von 900 Mio. Euro. Auch in Deutschland haben sich Bundesbank und BaFin in eine Komplizenschaft mit Casino-Spielern drängen lassen.

Die Reaktionen in Österreich sind positiv. Laut Nationalbank wären den SteuerzahlerInnen im Falle der Insolvenz deutlich höhere Kosten entstanden - ganz abgesehen von den Folgeschäden für das internationale Finanzsystem. Laut Medienberichten wurde in den letzten Wochen ein Drittel der Spareinlagen der HGAA abgezogen. Die Bank hat 130.000 Kunden, 7.500 Mitarbeiter und eine Bilanzsumme von 42 Mrd. Euro. Für 2009 wird ein Verlust von 1,45 Mrd. Euro erwartet.

Nachdem der Freistaat bereits Anfang des Jahres die BayernLB mit einem 10-Milliarden-Euro-Stützungskredit (was etwa einem Viertel der Haushaltseinnahmen Bayerns entspricht!) retten musste und die Restrukturierungsmaßnahmen anfänglich Erfolge mit sich brachten, nun der unfassbar große Verlust aus dem Balkan-Abenteuer! In der Konsequenz musste der Vorstandsvorsitzende Kemmer, der als ehemaliger Finanzvorstand den HGAA-Deal in 2007 mitzuverantworten hatte, seinen Hut nehmen und gehen. Die Fragen nach der strafrechtlichen Verantwortung und nach Regress-Ansprüchen stehen noch aus.

Das BayernLB-Desaster hat wieder einmal eindrucksvoll bewiesen, dass das Landesbanken-Modell mit seiner Verquickung von politischen und wirtschaftlichen Interessen nicht mehr funktioniert! Das kommt dabei heraus, wenn größenwahnsinnige PolitikerInnen die eigenen Landesbanken zu europäischen Global-Playern machen wollen, Einfluss auf deren Geschäftspolitik nehmen und dabei - aufgrund mangelnder Kompetenz - die elementarsten Kontrollen vermissen lassen!