Rudolf Hickel zum SVR-Jahresgutachten 2009

Schwerer Prognoseirrtum des „Sachverständigenrates zur Begutachtung der ge­samtwirtschaftlichen Entwicklung“ für 2009 oder „Prognosen sind schwierig, be­sonders wenn sie die Zukunft betreffen „(W. Churchill / Mark Twain)

13.11.2009 / Prof. Rudolf Hickel, Gründungsdirektor „Institut Arbeit und Wirtschaft“ der Universität Bremen

Heute, am Freitag; legt der „Rat der fünf Weisen“ auf der Basis des „Gesetzes zur Ein­richtung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR)“ von 1963 sein Jahresgutachten vor.

Der SVR geht von folgender Wachstumsprognose für 2009 und 2010 in seinem jüngs­ten Jahresgutachten aus:

* Im Durchschnitt des Jahres 2009 wird mit einem Absturz der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung von real -5% gerechnet.

* Für das kommende Jahr 2010 wird bereits wieder eine positive Wachstumsrate von 1,6% erwartet. Die in der Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossenen wirtschafts­wissenschaftlichen Institute prognostizieren im Rahmen ihres Herbstgutachtens vom Oktober für 2010 lediglich einen Zuwachs von 1,2%. Von diesem Wirtschaftswachstum geht auch die Bundesregierung im Rahmen ihrer Finanzplanung aus.

Anlässlich der recht optimistischen Prognose ist daran zu erinnern, dass sich der SVR in seinem Jahresgutachten vom November 2008 mit seiner Prognose für dieses Jahr völlig blamiert hat.

Ende 2008 wurde für das laufende Jahre davon ausgegangen, dass das (reale) Brutto­inlandsprodukt stagniert (0,0%). Ja, für die zweite Jahreshälfte in diesem Jahr wurde wieder mit einem leichten positiven Zuwachs der Quartalswerte gerechnet. Der leichte Einbruch in der zweiten Hälfte von 2008 und der Wechsel zum erneuten, allerdings recht geringem Wirtschaftswachstum erweckte den Eindruck, in diesem Jahr wäre le­diglich mit einer „Wachstumsdelle“ zu rechnen.

Gegenüber der prognostizierten Stagnation beläuft sich jedoch in 2009 der Absturz zwi­schen -5 und -6%. Diese massive Fehlprognose erinnert an den Winston Churchill bzw. Mark Twain zugeschriebenen Spruch: „Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen“.

Dabei ist diese dramatische Fehlprognose kein Zufall. Dafür gibt es einen theoretischen Grund. In den Prognosemodellen des „Rats der fünf Weisen“ werden die Krisenanfällig­keit von Finanzmärkten und die Folgen für die Produktionswirtschaft marktoptimistisch unterschätzt. Vielmehr werden die Finanzmärkte als sich selbststabilisierend und wohl­fahrtsstiftend fehlinterpretiert.

Diese massive Fehlprognose ist wissenschaftlich und politisch unverantwortlich.

Sie hat der Politik und Wirtschaft völlig falsche Signale gesetzt. Deshalb darf auch nicht zur Tagesordnung übergegangen werden.

Dabei bieten sich zwei Optionen an:

  1. Der SVR wird in den Bildungsurlaub geschickt, um sein theoretisches Prognose­modell unter Berücksichtigung der systemkritischen Analysen zu den Finanzmärkten zu überarbeiten.
  2. Alternativ dazu wird dieser gesetzliche verordnete Rat auf der Basis eines völlig überholten Modells der aus dem wissenschaftlichen Diskurs abgehobenen Politikbera­tung abgeschafft. Dem durch den Präsidenten der USA eingesetzten „Council of Eco­nomic Advisers“ vergleichbar ernennt die Bundesregierung ihren, sie beratenden öko­nomischen Beirat. Der muss sich dann der wissenschaftlichen Diskussion stellen. Damit wird die Vorstellung eines hoheitlich verordneten, hervorgehobenen Rats aufgehoben und der wissenschaftliche Diskurs gestärkt.