Steuersegen für Großerben

Koalition beschließt Wohltaten auch für Unternehmen und besserverdienende Familien

10.11.2009 / Neues Deutschland

Die Opposition und Sozialverbände üben scharfe Kritik an den von der Koalition beschlossenen Steuersenkungen. Gleichzeitig streiten Union und FDP weiter über eine massive Steuerreform ab 2011.

Berlin (Agenturen/ND). Das Bundeskabinett hat erste Steuerentlastungen für Unternehmen, Erben und Familien auf den Weg gebracht. Die Regierung billigte am Montag in Berlin die Vorlage für das »Wachstumsbeschleunigungsgesetz« im Umfang von 8,5 Milliarden Euro, wie das Finanzministerium mitteilte.

Mehr als die Hälfte entfällt auf die Anhebung des Kinderfreibetrages von derzeit 6024 Euro auf 7008 Euro, wovon Besserverdienende profitieren, sowie des Kindergeldes um jeweils 20 Euro pro Kind. Für Übernachtungen in Hotels und Gaststätten soll künftig der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent gelten. Ferner werden Elemente der Unternehmensteuerreform 2008 korrigiert. Bei der Erbschaftsteuer sind Entlastungen für Geschwister und deren Kinder sowie bei der Unternehmensnachfolge vorgesehen. Ein Neffe, der 500 000 Euro erbt, müsste künftig 120 000 Euro Steuern zahlen, 24 000 Euro weniger als bisher. Bei einem Erbe von 50 Millionen Euro würde sich die Steuerlast gar um 3,5 Millionen auf rund 21,5 Millionen Euro reduzieren. Bei Erbschaften zwischen 600 000 und 6 Millionen Euro ändert sich indes nichts.

Mit dem Gesetzentwurf werde ein wichtiger erster Schritt für sofort wirksame Entlastungen gegangen, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm vor Journalisten in Berlin. Der Gesetzentwurf soll am Donnerstag in den Bundestag eingebracht und erstmals beraten werden. Am 16. Dezember will das Kabinett über den Haushalt 2010 beraten.

Der Städte- und Gemeindebund kritisierte, Investitionen in eine bessere Betreuung und Bildung von Kindern seien wichtiger als 20 Euro mehr im Monat. Der Verband forderte auch eine Kompensation der Steuerausfälle. SPD-Fraktionsvize Joachim Poß bezeichnete das Programm als »dreiste Mogelpackung«. Der größte Teil bestehe aus Maßnahmen, die bereits die Große Koalition beschlossen habe. Die Erhöhung des Kindergeldes und der Kinderfreibeträge dürfe nicht ausschließlich reichen Familien zu Gute kommen, erklärte LINKEN-Fraktionsvize Klaus Ernst. Wenn nicht auch die Regelsätze für die 1,7 Millionen Kinder in Hartz IV erhöht würden, drohe eine »weitere familienpolitische Gerechtigkeitslücke«. Die Grünen sprachen von einem »Klientel-Bedienungsgesetz«. Kritik kam auch vom DGB und von Sozialverbänden. Dagegen sind die Erbschaftsteuersenkungen für den Bundesverband der Selbstständigen lediglich »ein erster Schritt auf einem langen Weg«.

Indes lässt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) offen, ob es für die FDP-Forderungen nach einer großen Steuerreform genug Spielraum geben wird. »Der Koalitionsvertrag gilt«, sagte er am Montag am Rande einer CDU/CSU-Fraktionssitzung in Berlin. Es gebe aber Formulierungen, »wo wir über das Ziel einig sind, aber über die Einzelheiten noch reden müssen«. CSU-Chef Horst Seehofer hatte die FDP-Forderung nach drei Steuerstufen und einer Senkung des Spitzensteuersatzes von 45 auf 35 Prozent infrage gestellt. Im Koalitionsvertrag vereinbarten Union und FDP nur, dass weitere Entlastungen und eine Strukturreform möglichst zum 1. Januar 2011 kommen sollen. Die FDP empörte sich über das Vorhaben der Union, über die ab 2011 vereinbarte Steuerreform erst im kommenden Sommer eine noch einzurichtende Regierungskommission entscheiden zu lassen. »Bereits entschiedene Grundsatzfragen in eine Kommission schieben zu wollen, heißt, den Koalitionsvertrag in einem zentralen Punkt in Frage stellen zu wollen«, sagte FDP-Vize Andreas Pinkwart dem »Handelsblatt« vom Montag. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wolle den Wählern bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen im Mai eine Mogelpackung verkaufen.

Derweil will die EU-Kommission Deutschland eine Frist bis 2013 einräumen, um das Defizit unter die erlaubte Schwelle von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu drücken. Konkrete Empfehlungen zur Defizitrückführung sollen am Mittwoch ausgesprochen werden.