Mexiko-Stadt: 40 000 Arbeiter auf der Straße

Gewaltsame Schließung eines Stromversorgers bereitet Privatisierung vor

14.10.2009 / Von Albert Sterr, Neues Deutschland

Die Beschäftigten des mexikanischen Energieerzeugers Luz y Fuerza del Centro wollen sich gegen die überraschende Schließung des staatlichen Unternehmens wehren.

In einer Nacht-und-Nebel-Aktion haben am Sonntag rund 5000 Bundespolizisten den Firmensitz des Stromversorgers Luz y Fuerza del Centro in Mexiko-Stadt besetzt. Sie sperrten die gesamte Umgebung ab, brachten die Mitarbeiter aus dem Gebäude und verhinderten, dass die gewerkschaftlich organisierten Angestellten zum Schichtwechsel ihre Arbeit antreten konnten. In einem Dekret gab die konservative Regierung von Präsident Felipe Calderón die »Liquidierung des Unternehmens« wegen angeblicher Ineffizienz bekannt. Die rund 40 000 Beschäftigten stehen auf der Straße.

Luz y Fuerza, einer der beiden großen staatlichen Stromerzeuger, beliefert rund 25 Millionen Kunden vor allem im Großraum Mexiko-Stadt und im Zentrum des Landes. Gleichzeitig ist es eine Bastion der Gewerkschaft der Elektrizitätsarbeiter (SME), die seit Jahrzehnten ihre Unabhängigkeit von Regierungen wahren konnte und zu den bestorganisierten und kämpferischsten Gewerkschaften des Landes gehört. Die SME hat in den vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen, um im Energiesektor sowie mittels von ihr initiierter Bündnisse wie dem »Nationalen Dialog« auch darüber hinaus den Privatisierungskurs zu stoppen. Mit der Schließung des Unternehmens stünde auch die Grundlage der Gewerkschaftsorganisation zur Disposition.

Wenige Stunden nach der Polizeiaktion, die ähnlich auch an mehreren anderen Standorten ablief, protestierten bereits 15 000 Mitarbeiter gegen die Schließung. Für Donnerstag ist eine weitere Großdemonstration geplant. SME- Sprecher Fernando Amezcua sagte: »Uns erwartet ein langwieriger Kampf, aber ich kann versichern, dass sie uns das Unternehmen nicht wegnehmen werden.« Auch juristisch soll dagegen vorgegangen werden. Der Gewerkschaftssitz wird von Mitgliedern geschützt, weil eine Besetzung durch die Polizei befürchtet wird.

Die Gewerkschaft sieht die Schließung als Element der neoliberalen Wirtschaftspolitik der Regierung, die auch von der größten Oppositionspartei, der ehemaligen Staatspartei PRI, mitgetragen wird. »Die Regierung will die Stromversorgung privatisieren und diese zusammen mit dem Glasfasernetz an transnationale Konzerne übergeben«, kritisiert Gewerkschafter Amezcua. Wie der Erdölsektor, dessen versuchte Privatisierung im vergangenen Jahr mit einer breiten Mobilisierung weitgehend blockiert werden konnte, ist in Mexiko laut Verfassung die Stromversorgung Staatsangelegenheit.

Tage vor der Polizeiaktion hatte sich das Arbeitsministerium geweigert, die Wiederwahl von SME-Generalsekretär Martín Esparza Flores anzuerkennen. Es habe bei der Wahl »Defizite und Unregelmäßigkeiten« gegeben. Die Nichtanerkennung bedeutet automatisch die Blockade der gewerkschaftseigenen Bankkonten und die Unterbrechung des Einzugs der Mitgliedsbeiträge. Auch bei der Minenarbeitergewerkschaft, die langwierige Arbeitskonflikte durchzufechten hat, ging die Regierung Calderón nach diesem Muster vor. Die durch interne Konflikte und das Wahldebakel vom vergangenen Juli stark geschwächten Mitte-Links-Parteien erklärten ihre Solidarität mit den unter Druck stehenden Gewerkschaftern.