Axel Troost: Bonuszahlungen und Erfolgsdruck - Entfremdung statt Leistung und was nach der Wahl zu tun ist

Von Axel Troost

26.09.2009

Entfremdung statt Leistung

Kinder sollen Freude am Lernen haben und den Sinn des Gelernten erkennen können. Belohungen – in der Grundschule sind es etwa Kronen, Smileys oder Spielstunden – sollten bestenfalls ein Hilfsmittel sein. Andernfalls tritt der Kern – in der Schule das zu erhaltende Erkenntnisinteresse – hinter die Eigendynamik des Belohnungssystems zu­rück.

So geschehen in der Finanzwelt. Die Sache – gute Arbeit für Bank und Kundschaft zu leisten – kehrte sich um ins Gegenteil: Die Aussicht auf hohe Bonuszahlungen und in­terner Erfolgsdruck führten mit dazu, dass hochriskante Geschäfte getätigt wurden. Das betrifft nicht nur gutbezahlte Manager und Investmentbanker. Auch Sparkassen-Angestellte unterliegen beispielsweise einem vermehrten Verkaufsdruck von Renten­versicherungen, weil dort – abgesehen vom „Riestern“ – die Provisionen vergleichswei­se hoch sind. Über besondere Risiken bestimmter Anlageformen wird oft erst auf Nach­frage eingegangen. Wenn überhaupt, denn auch die Schulung des Personals lässt oft zu wünschen übrig. Es soll schlicht verkauft werden, was die Unternehmensleitung für gut befindet.

Mit Leistungsgerechtigkeit haben diese Vergütungssysteme ebenso wenig zu tun wie der Manager, der das 40fache einer Bankfachfrau verdient. Denn wer will darlegen, dass der Manager das 40fache der Bankfachfrau leistet? Und wer kann begründen, wa­rum die Arbeit einer Reinigungskraft mit nur 1,80 Euro pro Zimmer entlohnt werden soll? Auch in der Hotelbranche wird nicht selten und in menschenverachtender Weise nach „Leistung“ – sprich je Zimmer – entlohnt.

Was nach der Wahl zu tun ist

Boni verbindlich begrenzen

So selbstverständlich wie ein gesetzlicher Mindestlohn sein sollte, so selbstverständlich sollte das Festgehalt das Fundament von Entlohnung sein. Auf dieser Grundlage kann wieder sachorientiert gearbeitet werden, statt Menschen zu Pawlowschen Hunden zu degradieren oder enormem Druck auszusetzen. Merkel und Steinbrück fordern zwar publikumswirksam, doch unverbindlich, dass fixe und feste Bestandteile von Gehältern in einem „angemessenen Verhältnis“ zueinander stehen. Doch was spricht dagegen, Boni klar zu begrenzen, etwa auf zehn Prozent vom Festgehalt? Boni hätten wieder den Status einer zusätzlichen Vergütung, statt die grundlegende Bezahlung zu ersetzen.

Das Argument, klare Maßstäbe würden die Vertragsfreiheit verletzen, überzeugt nicht. In anderen Branchen, so bei Notaren, erweisen verbindliche Richtlinien wie Gebühren­ordnungen gute Dienste. Vorschläge, Bonuszahlungen am langfristigen Erfolg auszu­richten, stoßen hingegen in der praktischen Umsetzung auf enge Grenzen. Auch indi­rekte Maßnahmen, wie Vergütungssysteme ins Risikomanagement zu integrieren und mit Eigenkapital zu unterlegen, erzielen keine ausreichende Wirkung.

Vergütung unterschiedlicher Lohngruppen aneinander koppeln

Lohn und Lohnerhöhungen eines Bankmanagers sollten entsprechend an die Entloh­nung der Bankfachfrau gekoppelt sein, ebenso die Entlohnung des Hotelmanagers an die der Reinigungskraft. Dies kann gewährleisten, dass die Vergütung höherer Lohn­gruppen nicht zu Lasten anderer erfolgt. Zugleich hat jedes Unternehmen Gestaltungs­freiheit und muss nicht befürchten, dass Personal in andere Länder abwandert. Deshalb ist dieser Vorschlag ebenso wie der vorherige nicht einmal auf eine Einigung der G20 angewiesen, sondern ebenso national umsetzbar.