Axel Troost: Die Bremer Stadtmusikanten und der moderne Kapitalismus

Ein Interview mit dem finanzpolitischen Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, Dr. Axel Troost, Direktkandidat für unsere Region für den neuen Bundestag.

17.09.2009 / Erschienen im Markkleeberger und Bornaer Stadtjournal

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Herr Dr. Troost, Sie kommen aus Bremen. Da drängt sich der Bezug zu den Bremer Stadtmusikanten auf. Die waren auf der Suche nach einem besseren Leben. Gilt das auch für Sie?

In meinem Leben habe ich immer für wirtschaftspolitische Alternativen, für die bessere Idee und soziale Gerechtigkeit gestritten. Ich bin seit über 30 Jahre Wissenschaftler und Geschäftsführer eines Forschungsinstitutes, aber auch Gewerkschafter und bei ATTAC. Dabei war ich beruflich und politisch in unterschiedlichen Funktionen. So konnte ich gleichzeitig volkswirtschaftlich Ideen entwickeln und diese z. T. ganz praktisch vor Ort umsetzen. Das und die schreiende Ungerechtigkeit des Hartz-IV-Systems brachten mich zu meinem Engagement beim Aufbau der WASG und das treibt mich auch heute noch an. Es kann doch nicht sein, dass jemand nach vielen Jahren harter Arbeit bereits nach einem Jahr Arbeitslosigkeit in die Armut getrieben wird. Deshalb muss Hartz IV weg. Das bewegt mich. Sie sind der finanzpolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag und Mitglied im HRE-Untersuchungsausschuss.

Wie funktioniert die aktuelle Finanz- und Wirtschaftswelt?

In diesem Fall kann man wieder in die Märchenwelt eintauchen. Denn politische und wirtschaftliche Eliten haben wie die Grimm’schen Räuber über Jahre hinweg in moderner und legalisierter Wegelagerei der Gesellschaft massenhaft Geld entzogen. Und das landete in einem gigantischen Umverteilungsprozess in den Geld- und Unternehmensvermögen der Oberschicht. Denken Sie an die Privatisierung von Krankenhäusern, Stadtwerken und anderen Betrieben der Daseinsvorsorge, die Schwächung und Aushöhlung der Sozialversicherungssysteme und deren privatkapitalistische Verwertung. Von politischer Seite wurde alles getan, dass durch die Entfesselung der Finanzmärkte das Recht des Stärkeren gilt. Und nachdem es richtig schief gegangen ist, sollen mit dem Staat wieder die zahlen, die zuvor ausgenommen wurden, nämlich die kleinen Leute, die Steuerzahler.

Aber was wollen Sie dagegen setzen?

Wir brauchen ein alternatives Wirtschaftskonzept und gerechtere Verteilung. Wir wollen, dass die Menschen von ihrer Arbeit leben können. Das ist auch für den Bäcker, den Friseur und den Handwerker wichtig. Denn nur dann können die Leute doch auch kaufen und bestellen. Deshalb brauchen wir den gesetzlichen Mindestlohn, die Abschaffung von Minijobs und anderen Armutsjobs, wir brauchen einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor und die Arbeitszeitverkürzung. Und natürlich wieder begrenzte und beschränkte Finanzmärkte. Klar ist auch, dass Wasser, Strom, Gesundheit, Eisenbahn für alle da und somit öffentlich sein müssen. Das werden wir auch in Zukunft fordern und erkämpfen. Wenn wir diese Konzepte umsetzen würden, wäre das für die überwiegende Mehrheit der Menschen eine deutliche Verbesserung.

Herr Dr. Troost, Sie sind schon lange wissenschaftlich und politisch bundesweit aktiv. Jetzt orientieren Sie sich auf den Osten. Warum?

Na es ist ja keine Neuorientierung. Ich arbeite seit den neunziger Jahren im Osten, auch mit Unterbrechungen. 2005 bin ich über die sächsische Landesliste in den Bundestag eingezogen. Und ich fühle mich immer mehr im Osten aufgehoben, möchte hier wichtige Projekte entwickeln, weil die Menschen es einfach verdient haben. Sie mussten immer neu lernen, in der DDR und nun nach der Wende.

Können Sie Ostdeutschland im Bundestag repräsentieren?

Ja, das glaube ich. Ich habe seit 1990 über 10 Jahre in Mecklenburg- Vorpommern gearbeitet. Dort habe ich für das Wirtschafts- und Sozialministerium zahlreiche Studien und Projekte erarbeitet und nach 1999 auch federführend mitgewirkt an Gemeinwohlorientierten Arbeitsförderprojekten. Politische Fehlentscheidungen treffen hier im Osten besonders hart. Das zu verhindern, will ich mithelfen.

Zum Beispiel?

... die sogenannte Schuldenbremse, bei der die Länder ab 2020 keine neuen Kredite aufnehmen dürfen, auch die Kommunen nicht mehr, oder das Auslaufen der Solidarpakt-II-Mittel zur Unterstützung der ostdeutschen Bundesländer im selben Jahr. Und die massiven Steuerausfälle durch die derzeitige Wirtschaftskrise. Das alles zusammen wird die Länder und Gemeinden vor massive haushälterische Probleme stellen. Vor allem die starken Länder und Kommunen stärker machen, die Armen ärmer. Ich befürchte massive Kürzungen in Kernbereichen staatlicher Aufgaben, der Daseinsvorsorge, der Kinderund
Jugendhilfe. Dadurch wird die öffentliche Infrastruktur verfallen und der ländliche Raum weiter hinter die Großstädte zurückfallen. Und ein armer Staat wird nichts mehr leisten können. Von weiteren Abwanderungen möchte ich erst gar nicht sprechen.

Ist das nicht übertrieben?

Ich weiß nicht, ob die anderen ignorant sind oder wegschauen. Fakt ist, dass dies in den nächsten Jahren traurige Realität werden wird, wenn wir nicht endlich politisch gegensteuern. Deshalb brauchen wir Steuern nach Leistungsfähigkeit. Reiche und Millionäre können viel mehr Steuern zahlen als Arbeitnehmer und Rentner. Nur DIE LINKE will Millionäre und Konzerne wieder stärker besteuern, damit mehr Geld für kommunale Ausgaben zur Verfügung stehen. Gerade im Osten müssen wir weg von der übermäßigen Exportorientierung. Die Stärken der heimischen Wirtschaft, des Handwerks und des Mittelstandes
müssen gefördert werden.

Was kann das Leipziger Land von Axel Troost im Bundestag erwarten?

Dass ich für die Region arbeite. Ich werde mit dem neugewählten Landtagsabgeordneten Enrico Stange in Borna ein gemeinsames Büro betreiben. Die Vorbereitungen laufen. Ich werde im Kreis aktiv Projekte unterstützen und auch mit Verantwortlichen der Region neue entwickeln. Besonders für mehr Beschäftigung, so dass uns die jungen Menschen nicht weiter weglaufen.

Herr Troost, wenn Sie es sich aussuchen könnten, welcher der Stadtmusikanten würde Sie am besten beschreiben?

Ehrlich gesagt kann ich mich da nicht entscheiden. Der gute, geduldige Esel vielleicht, der große Lasten fortschaffen kann, der sich gewissenhaft in Parlament und außerparlamentarischer Arbeit müht. Manchmal der knurrigen Hund, der in wichtigen Fällen durchaus auch mal laut losbellt. Manchmal die listige Katze oder der Hahn, der von früh bis spät sein Lied von den wirtschaftspolitischen Alternativen kräht. Ich denke, das überlasse ich der Phantasie jedes einzelnen.

Herr Dr. Troost, ich danke Ihnen für das Gespräch.

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