Das HRE-Desaster fiel nicht vom Himmel

31.07.2009 / Axel Troost

Trotz des umfangreichen Auftrages und der knapp bemessenen Zeit zur Aufarbeitung des Hypo-Real-Estate (HRE)-Desasters, hat der HRE-Untersuchungsausschuss des Bundestages zwischenzeitlich viele bemerkenswerte Fakten zu Tage befördert.

So ist inzwischen klar, dass die Finanzaufsicht die HRE erst ab Januar 2008 genauer in den Blick genommen hat. Das Problem der HRE bestand allerdings spätestens seit dem Herbst 2007, als die HRE die irische DEPFA plc. und mit ihr ein gigantisches Liquiditätsproblem gekauft hatte. Rückblickend musste auch der Chef der Finanzauf­sicht einsehen, dass die HRE damit „in der Falle saß“. Und weiter: Die Aufsichtsbehör­den hätten keine Möglichkeit gehabt, die Bank aus dieser Falle herauszuholen. Sie hät­ten nur sorgsam beobachten können.

Nach einer Verlustwarnung in einer Pressemitteilung am 15 Januar 2008, also erst nach Selbstanzeige der HRE hat die Bankenaufsicht ab Februar 2008 eine Sonderprüfung in München und Dublin durchgeführt. Diese brachte so viele gravierende Mängel ans Licht, dass auch erfahrene Prüfer sich kaum an Vergleichbares in ihrem Berufsleben erinnern konnten. Diese Mängel hatte z.B. zur Folge, dass die HRE selbst keine ver­lässlichen Zahlen zu ihren eigenen Liquiditätsrisiken hatten. Wohl auch im Lichte dieser Erkenntnis verlangte die Aufsicht von der HRE, unverzüglich und täglich über ihre Liquiditätssituation Bericht zu erstatten.

Über alle diese Maßnahmen, dies ergibt sich zweifelsfrei aus den bisherigen Zeugen­vernehmungen und der Akteneinsicht, wurde das Finanzministerium zeitnah informiert. Nur wollte man es dort offensichtlich so genau gar nicht wissen und hat sich bis zum Herbst 2008 für die von der HRE gelieferten Liquiditätsberichte und den daraus abzu­sehenden Entwicklungen zu keinem Zeitpunkt interessiert. Sonst wäre im Bundes­finanzministerium nämlich deutlich geworden, dass es fast während des gesamten ersten Halbjahres 2008 für die HRE immer enger wurde und der HRE im Ernstfall nur noch wenige Tage bis zur Pleite verblieben wären. Den durchgespielten Stress-Szenarien lagen dabei Annahmen zugrunde, wie sie in ähnlicher Form dann mit der Lehman-Pleite auch Realität wurden.

Bei jeder Sitzung des Untersuchungsausschusses und bei nahezu jedem vorgeladenen Zeugen tritt das konkrete Fehlverhalten und die Verantwortungslosigkeit von Vorstän­den und Aufsichtsräten der Banken, ihren großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Aufsehern von Bundesbank und Bafin sowie dem zuständigen Finanzministerium offe­ner zu Tage.

Mindestens genauso offenbar wird, dass über Jahrzehnte die Spielregeln auf den Finanzmärkten derart gelockert wurden, dass es im Krisenfalle wie der HRE eben nur auf ein vollständiges Systemversagen hinauslaufen konnte, für das die Steuerzahlerin­nen und Steuerzahler aufkommen müssen.

Die Verantwortlichen in Politik und Aufsicht rechtfertigen sich entweder damit, von allem nichts gewusst zu haben oder aber damit, dass auch bei bestem Krisenmanagement schon ab Januar 2008 die HRE dennoch zusammengebrochen wäre. Das erste Argu­ment ist keines, weil man viel mehr hätte wissen können, wenn man nur gewollt hätte. Das zweite Argument hingegen ist letztlich ein Offenbarungseid. Viele der Geschäfts­modelle, die Banken heute legal betreiben, können nur unter der Annahme eines krisenfreien Kapitalismus funktionieren. Diese Annahme ist gleichermaßen dumm wie historisch widerlegt. Auch erklärte Befürworter des Kapitalismus geben, wenn sie denn etwas Grips in der Birne haben, offen zu, dass der Kapitalismus Konjunkturen und Kri­sen systemisch in sich trägt.