Klaus Ernst: Rente mit 67 abschaffen!

04.07.2009 / Klaus Ernst, Linksfraktion

Klaus Ernst (DIE LINKE.), Videopodcast zur Rente mit 67
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Rede am 3.7.2007 im Bundestag

Klaus Ernst (DIE LINKE):

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Amann hat gesagt: Die Rentenpolitik ist bei der SPD in guten Händen. - Die Altersarmut nimmt zu, das Rentenniveau sinkt, das Renteneintrittsalter steigt, und Sie sagen: Die Rente ist bei der SPD in guten Händen. Genauso gut kann man spielenden Kindern sagen, sie sollen im Heuschober mit Streichhölzern spielen. Dann sind die Streichhölzer auch in guten Händen.

Sie haben die Rente ruiniert und weichgeschossen. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Herr Brauksiepe, Sie haben von einem höheren Rentenniveau gesprochen und gesagt, es gäbe keine Alternative zur Rente mit 67. - Er hört gerade nicht zu, weil er sich wohl über seine Rede unterhält.

(Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU): Nein! Sie brüllen so laut, dass ich Sie auch von hinten höre!)

Sie wissen genau, dass der Beitragssatz nur 0,3 Prozentpunkte höher sein müsste.

(Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU): 0,5! Weil wir Ausnahmen gemacht haben!)

- Es können auch 0,5 Prozentpunkte sein. Das sind 0,25 Prozentpunkte für die Arbeitnehmer. Das wäre die Alternative, die Sie aber nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Das ist ein Problem, auch wenn Sie sagen, dass es keine Probleme gibt.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Das Thema Rente mit 67 ist für die SPD langsam lebenswichtig. Ich weiß nicht, ob Ihnen allen bekannt ist, dass Sie, wenn am nächsten Sonntag gewählt würde, nur noch 23 Prozent erreichen würden.

(Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU): Damit hätten sie aber ein bisschen mehr als ihr!)

Ich freue mich, dass das auch in der SPD zur Kenntnis genommen wird. Ich zitiere Herrn Florian Pronold aus der Bild vom 22. Juni: „Ich gehe davon aus, dass die Rente mit 67 wegen steigender Arbeitslosenzahlen in der Wirtschaftskrise nicht in Kraft treten kann.“

Herr Andreas Steppuhn, Abgeordneter der SPD, hat am 23. Juni festgestellt: „Korrigieren kann ein Ausdruck von Größe sein. Beim Europawahlkampf ist für die SPD sichtbar geworden, dass viele Menschen, gerade auch ältere, Angst um ihren Arbeitsplatz haben.“

Ganz zart hat den einen oder anderen von Ihnen die Erkenntnis geküsst.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos) - Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE): Aber nur zart!)

Ihr Vorsitzender ist von einem solchen Kuss noch verschont geblieben. Das ist das Problem. Wenn Herr Müntefering daraufhin ein Machtwort gesprochen hat und die sozialdemokratische Führung eine vernünftige Haltung verhindert, dann muss ich feststellen: Es ist Ihr Vorsitzender, der momentan dazu beiträgt, dass eine vernünftige Rentenpolitik in der SPD nicht mehr möglich ist. Es ist richtig: Auch wir wollen, dass die Menschen länger arbeiten können. Aber bei dem einen oder anderen ist das nicht mehr sinnvoll. Ich glaube, dazu gehört auch Ihr Vorsitzender - um es deutlich zu sagen.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Starrsinn Ihres Vorsitzenden ruiniert die SPD. Wann wollen Sie sich eigentlich von dieser Fessel befreien?

(Widerspruch bei der SPD)

Wo sind denn eigentlich die Linken in der SPD? Wo sind denn eigentlich die Gewerkschafter in der SPD?

(Max Straubinger (CDU/CSU): Da sitzt doch einer in der ersten Reihe!)

Wo sind denn eigentlich die Standfesten in der SPD? Ich kann sie nicht mehr finden und erkennen.

(Beifall bei der LINKEN)

Bei der namentlichen Abstimmung, die wir gleich haben, werden wir sehen, wer von Ihnen noch einen aufrechten Gang hat und wer nicht.

Reden wir über die Realität. Das Netzwerk für eine gerechte Rente, in dem sich der DGB, der Paritätische Wohlfahrtsverband und andere Sozialverbände zusammengeschlossen haben, hat festgestellt, dass Sie die Statistiken schönen, und zwar bis hin zur Fälschung. Wenn Sie sagen, es gebe kein Problem mit der Arbeitslosigkeit der Älteren, dann nehmen Sie nicht zur Kenntnis, dass seit Dezember 2007 - das ist das Ergebnis Ihrer Politik - die Zahl der Arbeitslosen im Alter zwischen 60 und 65 Jahren konstant gestiegen ist. Sie hat sich seit ihrem Tiefststand verdreifacht. Nur 22,64 Prozent der Arbeitslosen zwischen 60 und 65 Jahren weisen Sie in der Statistik tatsächlich aus. Aber aus dem Bericht des Netzwerks geht die Realität deutlich hervor. Dort heißt es: Die Beschäftigungsquote fällt ab dem 50. Lebensjahr dramatisch ab. Nur 20 Prozent der Männer und nur circa 10 Prozent der Frauen sind mit 64 Jahren noch in einer Beschäftigung. Wissen Sie eigentlich, was das bedeutet? Glauben Sie wirklich, dass die Menschen, die mit 64 keinen Job mehr haben, mit 65 wieder eingestellt werden, wenn Sie das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre erhöhen? Auf welchem Stern leben Sie denn eigentlich?

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der CDU/CSU: Das passiert aber erst 1929!)

Für die übergroße Mehrheit bedeutet die Rente mit 67 nichts anderes als eine Rentenkürzung um 7,2 Prozent.

Schauen wir uns die Regelungen in anderen europäischen Ländern an. Es gibt nur zwei Länder in der EU, die die Rente mit 67 haben. Das sind Island und Norwegen.

(Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU): Ist Island in der EU?)

In Frankreich gilt nach wie vor die Rente mit 60. Selbst in Albanien dürfen Frauen ab dem 60. Lebensjahr nach Hause gehen. Dabei ist dieses Land wirtschaftlich schwächer als die Bundesrepublik.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielleicht denken Sie darüber nach, ob Sie sich hier nicht auf dem Holzweg befinden. Sie haben heute die letzte Chance, diese Regelung zurückzunehmen. Wir werden sonst die Bundestagswahl zur Volksabstimmung über die Rente mit 67 machen. Darauf können Sie Gift nehmen.

(Beifall bei der LINKEN)