Linke Kräfte gegen extreme Rechte in Europa bündeln

24.02.2009 / www.die-linke.de

Cornelia Ernst, LINKE-Landesvorsitzende und Mitglied des Landtages Sachsen, ruft zum offenen und parteiübergreifenden Widerstand gegen Nazis auf: "Wir werden Europas extreme Rechte besser bekämpfen, wenn die EU sich einer humanitären Flüchtlingspolitik verbunden fühlt und eine Handels- und Wirtschaftspolitik befördert, die den Ursachen für Flucht entgegen wirkt." Sie mahnt eine EU-Verfassung an, "die einer friedlichen, sozial-ökologischen und demokratischen Europäischen Union verpflichtet ist und von den Bürgerinnen und Bürgern mitgestaltet und über Volksabstimmungen angenommen werden kann."

Am 14. Februar 09 marschierten in Dresden die Parteivorsitzenden von Grünen und SPD gemeinsam mit Gregor Gysi und DGB-Chef Michael Sommer in der ersten Reihe gegen die Neonazis. Katja Kipping und Du waren auch dabei. Zusammen mit Initiativen und Gewerkschaften könnten die Parteien dauerhaft und kraftvoll gegen Rechts ankämpfen. Woran scheitert eine solche Allianz bisher?

Anders herum: Warum gelang die Allianz? Wir waren erfolgreich, weil sich LINKE, SPD und Grüne in Dresden mit dem DGB und dem Kulturbüro Sachsen einig waren, dass Nazis nur gemeinsam bekämpft werden können. Eine entsprechende Vorbereitungsgruppe entstand. Über 300 namhafte und bundesweit bekannte Persönlichkeiten aus Kultur, den demokratischen Parteien, den Kirchen, dem Zentralrat der Juden in Deutschland und den Gewerkschaften waren Unterzeichner eines Aufrufs zu dieser Demonstration. Gemeinsame Presseauftritte mit Vertretern von SPD, Grünen, LINKE und dem DGB waren selbstverständlich. Nur die CDU zickte herum, weil sie nicht in der Reihe mit Gysi und Sommer gegen Nazis demonstrieren wollte.

Mehr als 12000 Menschen gingen in Dresden gegen den größten Naziaufmarsch in Europa auf die Straße. Jetzt wird nach Schweden gefahndet, die im Anschluss an diese Demonstration Gewerkschafter und Linke auf der Autobahnraststätte Teufelstal brutal überfallen haben. Rechtsradikale gibt es nicht nur in der Bundesrepublik. Wieso spielt der gemeinsame Kampf gegen Rechts auf europäischer Ebene kaum eine Rolle?

Der Überfall auf der Autobahn ist ein Skandal, und er war nicht der einzige. Die Naziszene hat sich längst europaweit vernetzt. Jährlich zum 13. Februar ziehen auch Nazis aus nordeuropäischen Staaten sowie aus Polen und Tschechien durch Dresden. Deshalb kann die extreme Rechte nur wirksam bekämpft werden, wenn sich linke Kräfte, Bewegungen und Parteien in Europa stärker bündeln. Die beste Antwort auf die extreme Rechte in Europa ist eine starke Europäische Linke, die sich das zu einer vordringlichen Aufgabe macht.

Solltest Du für DIE LINKE ins nächste Europaparlament einziehen, kannst Du sicher vielfältige Erfahrungen aus Euren antifaschistischen Aktivitäten in Sachsen einbringen.

Vier Jahre NPD im Landtag haben alle Hoffnungen, „dieses Problem“ löse sich von allein, weggefegt. Die Nazielite hat sich um die Landtage in Dresden und Schwerin etabliert, in Riesa sitzt der Verlag „Deutsche Stimme“. Notwendig ist der offene und parteiübergreifende Widerstand gegen Nazis. Dazu braucht man konkretes Wissen über die extreme Rechte und klar distanzierende und vor allem öffentliche Konsequenzen im Umgang mit ihnen. Wo Nazis sind, darf nicht geschwiegen werden, weder im Gemeinderat noch auf der Straße.

Rechte schüren insbesondere Hass gegen ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger. Die Angriffe auf »Ausländer« werden beim weiteren Fortschreiten der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise vermutlich zunehmen. Ist nicht auch hier die Europäische Union viel stärker gefordert?

Im Landtag hat die NPD-Fraktion gefordert, statt einer Ausländerbeauftragten einen Abschiebungsbeauftragten zu wählen. Rassistische Übergriffe der Nazis gibt es bundesweit. Auch deshalb ist eine Wende in der europäischen Flüchtlings- und Migrationspolitik bitter nötig. Es geht überhaupt nicht, dass hunderte Menschen an den EU-Außengrenzen jährlich sterben, weil ihnen Schutz vor Armut, Verfolgung und Umweltkatastrophen verwehrt wird. Wir werden Europas extreme Rechte besser bekämpfen, wenn die EU sich einer humanitären Flüchtlingspolitik verbunden fühlt und eine Handels- und Wirtschaftspolitik befördert, die den Ursachen für Flucht entgegen wirkt.

Ein trauriges Beispiel für europäische Asylpolitik ist das Flüchtlingslager Lampedusa in Italien, das für 700 Menschen ausgerichtet wurde, in dem zeitweise aber mehr als 1200 Menschen zusammengepfercht wurden. Mitglieder der Linksfraktion im Europaparlament haben nach einem Besuch des Lagers in der vergangenen Woche erneut dessen Schließung sowie schnelle und faire Asylverfahren für alle Menschen, die nach Europa kommen, gefordert. Welche Chancen siehst Du dafür, dass sich die Mitgliedstaaten auf einen Kurswechsel einigen und den dann auch tatsächlich auf nationaler Ebene vornehmen?

Lampedusa braucht Öffentlichkeit, Öffentlichkeit, Öffentlichkeit. Das Flüchtlingslager in Lampedusa steht für Menschenrechtsverletzungen und wir LINKE dürfen keine Ruhe geben, bis es geschlossen wird. Jeder Flüchtling hat ein Recht auf ein faires Asylverfahren. Die Chancen für einen Kurswechsel wachsen in dem Maße, wie es gelingt, über die LINKE hinaus Menschen davon zu überzeugen, dass ein solches Lager eine Schande für die Europäer und damit für sie selbst ist. Dass so immer mehr Menschen denken, zeigen die Proteste von Bürgern in Italien. Kämpfen wir also entschlossen weiter.

Ähnlich wie die Flüchtlingspolitik trägt auch der Kampf gegen die Finanz- und Wirtschaftskrise in erster Linie die Handschrift der nationalen Regierungen. Von einem geschlossenen Vorgehen kann nicht die Rede sein, aus Brüssel ist hierzu kaum etwas zu hören. Tritt in der Krise nicht das existenzielle Problem der Europäischen Union zutage, das eine gemeinsame Verfassung hätte lösen können und müssen?

Globale Probleme müssen global gelöst werden, zumal die EU über einen der größten Binnenmärkte der Welt verfügt. Für eine wirksame Bekämpfung der Finanz- und Wirtschaftskrise ist es notwendig gemeinsame Regeln zu schaffen, mit denen internationale Finanzmärkte und der Kapitalverkehr kontrolliert werden. Eine entsprechende Finanzmarktaufsicht auf EU-Ebene ist erforderlich. Davon ist die EU derzeit weit entfernt. Ihre Strategien haben der Liberalisierung von Finanzdienstleistungen gedient. Wir brauchen eine EU-Verfassung, die einer friedlichen, sozial-ökologischen und demokratischen Europäischen Union verpflichtet ist und von den Bürgerinnen und Bürgern mitgestaltet und über Volksabstimmungen angenommen werden kann.