Tax Justice Network: Volksentscheid gegen die Pauschalbesteuerung für Reiche hat Signalwirkung (Zürich)

16.02.2009 / Bruno Gurtner, Tax Justice Network, TJN

Gut gemacht, Zürich!

Herzliche Glückwünsche an die Mehrheit der Stimmenden im Kanton Zürich (und an die Alternative Liste, die diesen Urnengang ermöglichten). Das habt Ihr gut gemacht. Euer Entscheid, die Pauschalbesteuerung für reiche, erwerbslose AusländerInnen abzuschaf­fen, ist wegweisend!

Gut, dass Ihr Euch von den Argumenten der Gegner nicht habt einlullen lassen! Mit dem Argument, bei der Abschaffung dieses Steuerprivileges würden die Reichen abwandern, wollten sie Euch Angst machen. Genützt hat solch schwache Begründung nichts. Denn es werden wohl nicht alle 137 in Eurem Kanton pauschal Besteuerte abwandern. Es ist also keineswegs sicher, dass Euer Kanton 20 Millionen Franken Steuereinnahmen verlieren wird. Wer bleibt, zahlt künftig mehr. Eine korrekte Steuerbemessung (sprich korrektes Er­fassen von realem Einkommen und Vermögen) könnte sogar beträchtlich mehr Einnahmen generieren. Eine ungenannt gebliebene Finanzvorsteherin einer reichen Zürichseegemein­de liess sich in der NZZ vom 17./18.1.2009 zitieren, dass pauschal Besteuerte bis zu 99 Prozent weniger Steuern bezahlen würden, als wenn sie „normal“ besteuert würden. Wenn das nicht einschenkt!


Schamlose Methoden

Einige Finanzdirektoren in anderen Kantonen reiben sich schon die Hände. Gerne würden sie Zürcher Steuerflüchtlingen der besonderen Art Unterschlupf bieten. Das könnte sich als Rohrkrepierer erweisen. Es ist zwar möglich, dass sich jetzt einige Kantone in unver­schämter Weise an die Zürcher Pauschalierte heranmachen. Das könnten jene Kantone sein, die sich schon bisher sehr freigebig zeigten: Der Kanton Waadt arrangierte bis Ende 2006 mit 1100 Personen entsprechende Abkommen ,das Wallis mit 860, Genf mit 600, der Tessin mit 477 und Graubünden mit 250 Personen. Tendenz stark steigend. Aber auch kleinere Kantone können sich an dieser Jagd beteiligen, vornehmlich jene aus der Inner­schweiz, die auch sonst mit schamlosen Methoden des schädlichen Steuerwettbewerbes von sich reden machen.

Doch Euer Entscheid hat Mut gemacht. Bereits nach nur wenigen Tagen werdet Ihr nach­geahmt. Das St. Galler Kantonsparlament hat bereits vor er Zürcher Abstimmung eine Standesinitiative eingereicht mit der Forderung, auf eidgenössischer Ebene die Pauschal­besteuerung abzuschaffen, notabene mit CVP-Unterstützung. Simonetta Sommaruga, die Präsidentin der ständerätlichen Wirtschaftskommission, will, dass sich ihre Kommission früher als geplant mit der St. Galler Standesinitiative befasst. In der nationalrätlichen Wirt­schaftskommission hat Susanne Leutenegger Oberholzer (SP, Baselland) bereits einen Antrag eingebracht: Die Kommission solle mit einer Motion die Änderung des Bundesge­setzes über die direkte Bundesteuer und des Gesetzes über die Steuerharmonisierung verlangen, damit die Pauschalbesteuerung abgeschafft werden kann.

Der Druck auf die Kantone wächst also. Noch hält der Solothurner Finanzdirektor, Christian Wanner, Präsident der kantonalen Finanzdirektoren, an der Pauschalbesteuerung fest. Doch er sieht im Zürcher Urnenentscheid eine Signalwirkung. Darum will er zumindest die Steuer erhöhen und Missbräuchen den Riegel vorschieben.


Andere ziehen nach

In den wenigen Tagen seit der Abstimmung sind eine ganze Reihe kantonaler Vorstösse bekannt geworden. In Luzern will eine CVP-Parlamentarierin ebenfalls einer Standesinitia­tive zum Durchbruch verhelfen. Die Grünen in Bern denken an eine Volksinitiative, falls Vorstösse im Parlament erneut erfolglos blieben. Vor zwei Jahren hatte das Berner Kan­tonsparlament derartige Absichten noch unterbunden. Auch in Obwalden tendieren dien Grünen auf eine Abschaffung der Paulschalbesteuerung in ihrem Kanton. Weitere werden wohl folgen. Selbst in der Waadt und in Genf erwägen SP, Grüne und Linke, das bisherige Tabuthema zur Debatte zu stellen. Grüne und linke Kreise in Zürich erwägen eine Stan­desinitiative auf Bundesebene zur Abschaffung der Pauschalbesteuerung auf Bundesebe­ne. Die Grünen Obwaldens planen einen Vorstoss in ihrem Parlament. Weitere werden folgen.

All dies ist keineswegs erstaunlich und entspricht einem weltweiten Trend. Steuerprivile­gien aller Art kommen überall immer stärker unter Beschuss. In London verändert sich die Haltung zum Finanzplatz drastisch, nicht zuletzt auch hinsichtlich dem Non-domiciled-Privilegs für Ausländer, dem Pendant zur Schweizer Pauschalbesteuerung. Von den Be­mühungen der EU und der OECD haben wir in der Schweiz ja schon Kenntnis nehmen müssen. Und vom neuen US-Präsidenten Obama erwarten alle eine härtere Gangart ge­genüber Steuerflüchtlingen. Selbst der Internationale Währungsfonds schwenkte um und empfiehlt heute den Entwicklungsländern, keine Steueranreize mehr zu gewähren, weil die Kosten höher seien als der Ertrag.

Auf diesem Hintergrund kann der Zürcher Urnenentscheid ein wichtiger Schritt zur schwei­zerischen Selbsterkenntnis in der Steuerpolitik sein. Steuerprivilegien nützen vorwiegend reichen SteuervermeiderInnen. Die Kosten trägt die Allgemeinheit. Statt den Steuerwett­bewerb immer stärker anzuheizen, ist es vernünftiger, gemeinsam Regeln zum Stopfen von Steuerschlupflöchern zu schaffen, auf nationaler und auf internationaler Ebene.

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Bruno Gurtner ist Präsident des globalen Netzwerkes für Steuergerechtigkeit (Tax Justice Network, TJN). Das TJN setzt sich weltweit gegen Steuer- und Kapitalflucht ein, bekämpft Steuerfluchthäfen, schädliche Steuerpraktiken und unregulierten Steuerwettbewerb.

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