Positionspapier zum Referentenentwurf „Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente“

25.10.2008 / Arbeitskreis II/ Büro Kornelia Möller, Linksfraktion im Deutschen Bundestag vom 08.10.08

I. Zur politischen Gesamtbewertung

--> Referentenentwurf

Erstens: Mit dem beabsichtigten Gesetz, das am 1.1.09 in Kraft treten soll, wird die Linie der Agenda 2010 sowie der Hartz-Reformen konsequent fortgesetzt - einschließlich der Verschärfung des repressiven Charakters der Arbeitsmarktpolitik.

Der nachhaltige Abbau der Arbeitslosigkeit wird zwar als zentrale Aufgabe deklariert und bessere Chancen für die Eingliederung schwervermittelbarer Arbeitsloser werden in Aussicht gestellt. Aber die ins Auge gefassten Maßnahmen lassen erhebliche Zweifel am Erreichen der Ziele auf­kommen. Auf die weitere Reduzierung der Arbeitslosigkeit, insbesondere der Langzeitar­beitslosigkeit, bezogene konkrete qualitative und quantitative Zielstellungen fehlen völlig.

Zweitens: Hauptanliegen, insbesondere von CDU/CSU ist es, mit dem Gesetz die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung weiter zu senken sowie Haushaltsmittel einzusparen. Die Vorbereitungen dazu erfolgten vor dem Hintergrund der Forderung von CDU/CSU, „aus dem ganzen Bereich der Arbeitsmarktpolitik eine Summe von drei Milliarden Euro“ einzusparen.[1] So soll eine weitere Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung möglich werden, auf die sich die Große Koalition auf ihrer Koalitionsrunde am 10.6.08 im Wesentlichen bereits verständigt hat. Effizienz und Effektivität beziehen sich also nicht in erster Linie auf eine wirksamere Be­kämpfung der Massenarbeitslosigkeit, sondern vorrangig auf die Einsparung von Beitrags- und Steuermitteln.

Drittens: Der gravierende Hauptmangel des Gesetzes, die weiter fortgesetzte Benachteili­gung der Erwerbslosen, die ALG II beziehen, insbesondere durch Einführung ungeeigneter Instrumente aus dem SGB III sowie Streichung weiterhin dringend notwendiger Maßnahmen, wird von Sozialverbänden massiv kritisiert. Er hat seine Ursache in der mit den Hartz-Gesetzen verursachten Trennung der Arbeitsmarktpolitik in zwei Rechtskreise, die den weiteren Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit hemmt.

Viertens: Mit dem Gesetz soll die Privatisierung arbeitsmarktpolitischer Leistungen fortge­setzt werden. Durch neue Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (§ 46 SGB III) erwartet der Gesetzgeber, der bisher wenig effektiven Vermittlung durch private Firmen künf­tig zu größerem Erfolg zu verhelfen und damit deren gesellschaftliche Akzeptanz zu erhöhen. Zugleich sollen durch die Anwendung des Vergaberechts verstärkt Mittel eingespart werden.

Fünftens: Die Koalition geht in der Begründung ihres Gesetzes fast ausschließlich von quantitativen Aspekten der Entwicklung der Arbeitslosigkeit aus - und dies anhand zwei­felhafter statistischer Daten. Ausgehend von einer bruchstückhaften und oberflächlichen Ana­lyse werden vor allem jene Untersuchungsergebnisse selektiv herangezogen, die weitere finan­zielle Einsparungen erwarten lassen. Dass der „Aufschwung am Arbeitsmarkt“ mindestens zur Hälfte ein Boom atypischer und prekärer Beschäftigung ist, wird völlig ausgeblendet. Auf strukturelle Aspekte der Massen- und Langzeitarbeitslosigkeit, insbesondere die Tatsache, dass die Erwerbslosigkeit in Ostdeutschland nach wie vor mehr als doppelt so hoch ist wie in den alten Bundesländern, wird kaum eingegangen. Demzufolge sind auch keine speziellen Verände­rungen in den Arbeitsmarktinstrumenten vorgesehen.

Sechstens: Die Regierung wartet eine abschließende Auswertung der Evaluation von Hartz IV nicht ab, um daraus Schlussfolgerungen für eine Neuorientierung arbeitsmarktpo­litischer Instrumente abzuleiten. Bereits vorliegende Aussagen dazu werden in die Analy­se der Wirksamkeit der Arbeitsmarktinstrumente nicht einbezogen, führen zu keinen Kon­sequenzen. Das betrifft besonders die vernichtende Kritik zur Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit der Ein-Euro-Jobs, die auch durch Untersuchungen des Bundesrechnungshofes [2] gestützt wird. Die einseitigen betriebswirtschaftlichen Fehlorientierungen, die von den Hartz-Gesetzen auf die Arbeitsweise der Bundesagentur ausgehen und zu einer Verfestigung im Bereich der Lang­zeitarbeitslosigkeit führten, bleiben erhalten.

Siebentens: Statt die gesamten - auch von wissenschaftlichen Evaluierungseinrichtungen vom Gesamtergebnis her angezweifelten Reformen durch die Hartz-Gesetze -einer grundsätzlichen Revision zu unterziehen, setzt die Große Koalition die Arbeitsmarktpolitik mit weiterem Flickwerk fort.
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[1] Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) hatte bereits vor dem Treffen des Koalitionsausschusses Ende April 2008 die Forderung der Christdemokraten nach Einsparungen im Etat des Sozialministeriums erneuert. Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) müsse "aus dem ganzen Bereich der Arbeitsmarktpolitik eine Summe von drei Milliarden Euro" einspa­ren, sagte Kauder in der "Welt am Sonntag". Zugleich forderte er Scholz auf, die Arbeitsvermittlung zu verbessern und Hartz IV sorgfältiger umzusetzen. Wenn etwa in Berlin jeder zweite Bescheid angefochten werde, müsse Scholz bei den Behörden Druck machen.

[2] Bericht des Bundesrechnungshofes nach § 88 Abs. 2 BHO zur Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II (Vermittlungstätigkeit und Anwendung zentraler arbeitsmarktpolitischer Instrumente) vom 29.4.08

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