DGB-Stellungnahme zum Finanzmarkt- stabilisierungsgesetz

15.10.2008 / www.dgb.de

Der DGB hält es für richtig, dass die Bundesregierung einen Rettungsplan für die Fi­nanzmärkte geschnürt hat und die Eigenkapitelbasis der Banken stärken will. Diese Notfallmaßnahme ist aktuell alternativlos. Wichtig ist zudem, dass diese Initiative euro­päisch abgestimmt wurde. Die Finanzmärkte sind das Nervenzentrum unserer Wirt­schaft. Dieses Nervenzentrum wurde schwer beschädigt. Es fehlt an den notwendigen gesellschaftlichen Regularien und gesetzlichen Schranken.

Der Staat als Sachverwalter aller Bürger/innen ist die letzte Instanz, die das von Ban­kern und Vermögensverwaltern zerstörte Vertrauen wieder herstellen kann. Die kurzfris­tigen Maßnahmen müssen durch mittel- und langfristige Reformen ergänzt werden. Der Unternehmenszweck der Banken und anderer Finanzinstitute ist neu zu bestimmen und am Allgemeinwohl auszurichten: Sie müssen der Wirtschaft dienen.

Im Rahmen der kurzfristigen Nothilfe dürfen keine Steuergelder verschwendet werden. Deswegen muss das Prinzip „Hilfe nur für Gegenleistung“ konsequent durchgehalten werden. Subventionen darf es grundsätzlich nur gegen Eigentumsrechte für den Staat geben. Dieses Prinzip wird jedoch im Gesetzesentwurf nicht konsequent umgesetzt. Darüber hinaus deckt der Gesetzentwurf zentrale Handlungsfelder nicht ab. So fehlt ein Maßnahmenbündel, das den Auswirkungen der Finanzkrise auf die Realwirtschaft ent­gegensteuert.


Das Finanzmarktstabilisierungsgesetz

Die Einrichtung eines Finanzmarktstabilisierungsfonds ist richtig und erforderlich. Ein Zweck des Fonds besteht in der Gewährung von Garantien. Letztere sollen helfen, das Vertrauen auf den Märkten wieder herzustellen. Diese Garantien soll es nur gegen Ge­bühren geben. Diese Maßnahme geht in die richtige Richtung. Darüber hinaus soll der Fonds die Teilverstaatlichung notleidender Finanzinstitute ermöglichen. Dies sollte mög­lichst in Form von Beteiligungen mit mindestens 25,1% erfolgen. Nur auf diesem Weg hat der Staat auch die Kontrolle über die Geschäftspolitik der übernommenen Bank.

Die Bedingungen sowohl für die Gewährung von Garantien als auch für Teilverstaatli­chungen sind bereits im Gesetz so zu konkretisieren, dass sie dem Ziel einer langfristi­gen und nachhaltigen Unternehmenspolitik entsprechen. Dazu gehören mindestens für die Dauer der Unterstützung der Verzicht auf eine Gewinnausschüttung an die Eigen­tümer, die Begrenzung der Vorstandsvergütung auf ein angemessenes Niveau, eine an den Bedürfnissen der Realwirtschaft ausgerichtetete Kreditversorgung sowie der Ver­zicht auf einseitige Belastungen der Arbeitnehmer/innen.

Darüber hinaus darf die Dauer der Rekapitalisierungsmaßnahmen nicht begrenzt wer­den. Der Zeitpunkt der Wiederveräußerung staatlicher Beteiligungen muss von der Entwicklung der Marktlage abhängig gemacht werden. Die Setzung des konkreten Da­tums 31.12.2009 ist in Anbetracht einer unsicheren Zukunft kontraproduktiv.

Nur in Ausnahmefällen ist auch der Kauf fauler Kredite und Derivate durch den Finanz­marktstabilisierungsfonds akzeptabel. Eine solche Maßnahme ist ein eklatanter Verstoß gegen das Prinzip „Hilfe für Gegenleistung“.

Das Hilfsprogramm schirmt die Realwirtschaft vor noch dramatischeren Folgen der Kri­se im Bankensektor ab. Zusätzlich brauchen wir jetzt ein von den Gewerkschaften schon lange gefordertes Investitionsprogramm in der Höhe von mindestens 25 Mrd. Euro. Ein Investitionsprogramm für Bildung, Gesundheit, innere Sicherheit, öffentliche Infrastrukturmaßnahmen sowie einen ökologischen und energieeffezienten Umbau muss Teil einer europäischen konjunkturpolitischen Kraftanstrengung sein.

Der DGB begrüßt die Aussage der Regierung, dass Arbeitnehmer/innen, Rentner und Pensionäre ebenso wie Selbstständige darauf vertrauen können, dass ihre Geldanlagen sicher sind.


Nach der Nothilfe- Ursachen bekämpfen

Die Finanzkrise zeigt: Die Selbstregulierung der Finanzmärkte hat versagt. Die Ge­schäftsstrategie der Banken hat sich von ihrem Kerngeschäft weit entfernt. Statt nach­haltigem, organischem Wachstum zugunsten der Kunden wurden kurzfristige Gewinn­maximierung und zweistellige Gewinnmargen verfolgt. Es entstand ein unkontrolliertes Schattenbankensystem und Verbriefungsgeschäft. Private-Equity- und Hedge-Fonds konnten in nahezu rechtsfreien Räumen Schuldenpyramiden errichten.

Wir brauchen jetzt einen neuen Ordnungsrahmen. Haftung und Prävention müssen ausgebaut werden. Stabile Finanzmärkte brauchen beispielsweise einen Haftungsver­bund der europäischen Privatbanken, einen TÜV für Finanzmarktprodukte, das Verbot von Zweckgesellschaften und der 100%igen Weiterveräußerung von Kreditrisiken sowie eine angemessene Eigenkapitalunterlegung von Verbriefungsgeschäften. Rein spekula­tive Finanzmarktprodukte sollten abgeschafft werden. Im Aktienrecht ist das Wohl der Allgemeinheit zu verankern. Der Shareholder-Ansatz war ein Irrweg. Stattdessen brau­chen wir eine Rückbesinnung auf nachhaltiges und langfristiges Wirtschaften. Anreiz­systeme und exorbitante Vergütungen für Manager sind zu begrenzen. Die Mitbestim­mung muss im Hinblick auf eine nachhaltige Unternehmenspolitik als Gegengewicht zu den Interessen der Finanzmarktakteure ausgebaut werden. Darüber hinaus brauchen wir ein Anreizsystem, das die Kurzfristorientierung diskriminiert. Wir brauchen eine Fi­nanztransaktionssteuer, die kurzfristige spekulative Transaktionen verteuert. Aus den Einnahmen dieser Steuer wird der öffentliche Rettungseinsatz bezahlt.

Zudem muss nun auch der Zufluss in die Spekulation begrenzt werden. Die Spekulati­onsblasen speisen sich auch aus einer massiven Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben. Folglich steht jetzt ein Kurswechsel in der Steuer-, Wirtschafts- und Sozialpolitik auf der Tagesordnung. Die deutschen Gewerkschaften werden durch ihre Tarifpolitik einen wichtigen Beitrag zu dieser notwendigen Umvertei­lung leisten und damit gleichzeitig die wirtschaftliche Entwicklung stützen.