Andere Länder – bessere Sitten: Jede Stunde zählt

22.09.2008 / Thomas Händel

Österreich - Das österreichische Arbeitszeitgesetz sieht hohe Strafen für Unternehmen vor, die die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter nicht aufzeichnen, und erleichtert Klagen we­gen unbezahlter Überstunden. Das markiert deutlich Unterschiede zur deutschen Ar­beitszeitpraxis.

Die 2008 in Kraft getretene Novelle zum Arbeitszeitgesetz brachte eine Verschärfung der Aufzeichnungs- und Auskunftspflicht des Arbeitgebers über geleistete Arbeitszeiten mit sich: Verstöße gegen die Bestimmungen werden nun viel schärfer bestraft.

Generell war ein Arbeitgeber auch bisher verpflichtet, in seinen Betriebsstätten Auf­zeichnungen über geleistete Arbeitsstunden zu führen. Diese Pflicht gilt seit diesem Jahr auch für Kleinstbetriebe mit nur wenigen Mitarbeitern oder auch nur einem einzi­gen.

Der Arbeitgeber muss Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden führen, über Ort, Dauer und Art der Beschäftigung aller während der Wochenend-, Wochen-, Ersatz- oder Feiertagsruhe beschäftigten Arbeitnehmer und deren Entlohnung sowie über die gewährte Ersatzruhe. Dem Arbeitsinspektorat müssen die erforderlichen Auskünfte je­derzeit erteilt und muss auf Verlangen Einsicht in die detaillierten Aufzeichnungen ge­währt werden. Der Arbeitgeber muss insbesondere darauf achten, dass die gesetz­lichen Höchstarbeitszeitgrenzen – im Regelfall zehn Stunden am Tag – eingehalten werden.

Jederzeit einsichtig

Laut Verwaltungsgerichtshof müssen die Aufzeichnungen in der Betriebsstätte, in der die jeweiligen Arbeitnehmer beschäftigt werden, jederzeit einsichtig sein. Arbeitsauf­zeichnungen, die beispielsweise nur in der Zentrale eines Unternehmens mit mehreren Betrieben eingesehen werden können, entsprechen nicht den gesetzlichen Erfordernis­sen. Werden die Aufzeichnungen durch ein Zeiterfassungssystem geführt, ist dem Ar­beitnehmer auf Verlangen eine Abschrift zu übermitteln.

In bestimmten Fällen, etwa bei Gleitzeit, kann der Arbeitnehmer die Arbeitszeit selbst aufzeichnen. Er muss dann die Aufzeichnungen nach Ende der Gleitzeitperiode dem Arbeitgeber aushändigen. Dieser wird dadurch allerdings nicht von der Kontrolle der Arbeitszeit entbunden; er muss die Aufzeichnungen regelmäßig kontrollieren.

Die entscheidende Neuerung durch die Novelle ist die Strafverschärfung bei schweren und wiederholten Verstößen gegen die gesetzlichen Aufzeichnungspflichten. Bisher wurden Arbeitgeber bei Verstößen von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafen zwischen 20 und 436 Euro belegt. Nun können die Strafen auf 72 bis 1815 Euro stei­gen. Hinzugekommen ist außerdem, dass Verstöße nun hinsichtlich jedes einzelnen Arbeitnehmers gesondert zu bestrafen sind, wenn die Feststellung der tatsächlich ge­leisteten Arbeitszeit wegen fehlender Aufzeichnungen unmöglich oder unzumutbar ist.

Klagen erleichtert

Ist eine Feststellung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit aufgrund des Fehlens von Aufzeichnungen unmöglich oder unzumutbar, sind Arbeitnehmer, die auf dem Ge­richtsweg ausstehendes Entgelt für geleistete Mehrarbeit bzw. Überstunden einklagen, nicht mehr an die kurzen tarifvertraglichenvertraglichen Verfallsfristen gebunden, son­dern es gilt die allgemeine dreijährige Verjährungsfrist. Der Arbeitgeber setzt sich damit der Gefahr aus, dass auch bis zu drei Jahre zurückliegende Mehr- oder Überstunden­forderungen vom betroffenen Arbeitnehmer erhoben werden können.

In Deutschland schlechter

Auch in Deutschland sind die Aufzeichnungspflichten ähnlich, werden aber weniger strikt verfolgt und nur selten geahndet. Nach dem deutschen Arbeitszeitgesetz ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle Arbeitszeiten über 8 Stunden hinaus zu dokumentieren und ein Verzeichnis der Arbeitnehmer mit verlängerter Arbeitszeit zu führen. Letzteres gilt insbesondere bei einer ungleichmäßigen Verteilung der Arbeitszeit und in Fällen von Arbeitsbereitschaft.

Die Aufzeichnungspflicht wird allerdings meist sehr nachlässig gehandhabt. Oftmals wird die Aufzeichnungspflicht in unzulässiger Weise an die Beschäftigten delegiert.

Mitbestimmung gestärkt

Das Bundesarbeitsgericht hat bereits 2003 die Rechte und Pflichten der Betriebsräte gestärkt. Dies betrifft auch den Auskunftsanspruch bei "Vertrauensarbeitszeit". Für die Betriebsratspflicht (!) der Überwachung nach § 80 Abs 1 Nr 1 BetrVG – so das BAG – "...benötigt der Betriebsrat im Hinblick auf die Einhaltung der gesetzlichen Ruhezeiten und der tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit Kenntnis von Beginn und Ende der täg­lichen und vom Umfang der tatsächlich geleisteten wöchentlichen Arbeitszeit der Ar­beitnehmer.

Der Arbeitgeber hat seinen Betrieb so zu organisieren, dass er die Durchführung der geltenden Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen selbst gewährleisten kann. Er muss sich deshalb über die genannten Daten in Kenntnis setzen und kann dem Betriebsrat die Auskunft hierüber nicht mit der Begründung verweigern, er wolle die tatsächliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer wegen einer im Betrieb eingeführten "Ver­trauensarbeitszeit" bewusst nicht erfassen.

Ferner formuliert das BAG auch hinsichtlich der außertariflichen Angestellten strenge Anforderungen an die Arbeitgeber. Ihnen wird aufgegeben"... dem Betriebsrat jeweils bis zum 15. des Folgemonats für jeden AT-Mitarbeiter – ausgenommen Abteilungsleiter

– Auskunft über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit an jedem Arbeitstag des Vormonats sowie über jede Über- und Unterschreitung der regelmäßigen betrieblichen wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden, bezogen auf jede Woche, die im Vormonat endet, zu erteilen."

Das verschafft Betriebsräten Handlungsmöglichkeiten, die allerdings längst noch nicht in die tagtägliche Mitbestimmungspraxis der Interessenvertretungen eingeflossen sind.